Filmszenen I ..ein Gefangener – wie Du… in: Heilige Kühe Teil 3 (Neues Deutschland 1993) Heino Ferch – Gero. Buch: Oliver Czeslik. Regie: Uwe Janson 1992-93

Bildquelle und Bildrechte bei COLON, Dok Film Babelsberg, FOOL , Gemini Film, Neue Sentimental Film, Philip-Gröning-Filmproduktion für Westdeutscher Rundfunk (WDR)

Die Szene

Drängend treibende Musik, bedrohlich.

Es hat zu schneien begonnen. Die Landschaft ist weiss. Der Zug fährt, wir sehen ihn aus der Vogelperspektive. Links und rechts der schnurgeraden Gleise Birkenwälder, vom Horizont her bis zu uns.

Schnitt auf einen Tunnelausgang.

Ein grauer Mann stolpert die Gleise entlang dem Zug entgegen. Er läuft wie ein Mensch, der seine letzten Kräfte aktiviert, um sich vorwärts zu schleppen.

Ulli Nah.

Sie sitzt auf dem Frontpuffer des ersten Waggons. Zufrieden. In Lederjacke, Schottenkaroröckchen, schwarze Handschuhe, die blonden Haare zu Jun gmä de l zö pfen geflochten. Pfeifft.

Blickt nach unten :

Los…… los……  Carl Clementi…… Glubscher auf!!

Schnitt auf den Angesprochenen. Er liegt vor dem Zug quer über den Schienen. Er steckt bis über die Brust in einem deutschen Postsack. Der Sack ist verschnürt und f es  se  lt Clementis Arme.

Ulli, beugt sich vor, flüstert verächtlich:

Was für ein Filmer bist denn Du?

Totale. Der graue Mann hat Clementi erreicht.

Schnitt. Clementi und der Mann nah.

Bildquelle und Bildrechte bei COLON, Dok Film Babelsberg, FOOL , Gemini Film, Neue Sentimental Film, Philip-Gröning-Filmproduktion für Westdeutscher Rundfunk (WDR)

Der graue Mann ist Gero. In einem alten Wehrmachtsmantel. Er ist völlig verändert. Abgehärmt. Ausgelaugt. Bleich wie ein Toter. Vom Ertragen großer Kälte gezeichnet, er at met schwer, erschöpft, wie kurz vor einer Ohnmacht. Er hält Clementi in den Armen, stützt ihn. Clementis Kopf liegt an Geros Brust. Gero hält sich fest an Clementi, an dessen Kleidung, an dem Str ick, der Clementi ge fe sse lt hält.

Clementi, ohne ihn anzusehen:

Wer bist Du?

Gero,  ängstlich, als hätte er gerade geweint:

Ein Gefangener.

…wie Du!

Atmet schwer.

Leise und zärtlich zu Clementi:

…was für einen Film machst Du?

Clementi wirft einen Blick nach oben zu Geros Gesicht, das über ihm schwebt. Die beiden sehen sich an. Clementi lässt sich wieder zurücksinken, denkt nach. Dann, langsam, nachdenklich:

Über den Krieg.

Gero wirkt wie ein Flüchtling am Ende seiner Kräfte, wie jemand, der zu viel erlebt hat, um noch Willenskraft aufzubringen, jemand, von Hunger geschwächt und ausgelaugt ist,  der fast keine Kraft mehr hat, sich aufrecht zu halten. Er nickt schwach. Weich und sanft, freundlich:

…schön…

Gero atmet erschöpft, schwer.

Clementi

Das heißt: der Krieg dient eigentlich nur als Vorwand.

Während Clementi spricht, atmet Gero wie ein Mensch, der gleich das Bewusstsein verlieren wird vor Schwäche. Leise, schwach.

..aber für einen Kriegsfilm….

Er pausiert, um Kraft zu schöpfen

…brauchen wir noch was…

…den Feind.

Clementi, sinnierend, ruhig:

Natürlich ! Den Feind!

Beide blicken vor sich hin, sehen sich dann an.

Ulli aus dem off:

Bald.

Sind wir in Cottbus.

Ulli Nah.

Lächelt. Schuldenfrei, rein.

Ein Kind fast, ein makelloses reines Gesichtchen.

Schnitt

Der Zug rollt.

Clementi wird aus dem Zug hinaus geworfen. Es ist nicht mehr Winter.

Gero, in seiner Hunter-Uniform, sitzt in einer offenen Tür. Singt. Hält die Kamera in der Hand. Wirft sie Clementi zu, der fängt.

Clementi will mit Rücksicht auf sein Bein aufstehen. Merkt erstaunt, dass er unverletzt ist, das Bein ist wieder vollständig.

Clementi findet sich kaum zurecht.

Er blickt herum, um sich wieder zu orientieren.

Das Stations-Ortsschild: Börnicke. Der Ort, an dem der Zug startete. Er ist nirgendwo hin gefahren. Alles war ein böser Traum.

Wir hören die Waggons vorbeirattern.

Ulli auf dem Dach des Zuges.  Achtung, schreit sie, das ist Filmmaterial.

Hinter ihr taucht Gero auf, in Chevignonjacke und Baseball-Cap. Gesund und frech wie am Anfang.

Clementi will ihn filmen. Hält ein. Blickt seine Kamera an, wie einen fremden Gegenstand. Wirft sie angeekelt von sich. Die Kamera zerbricht. Ihr Innenleben kehrt sich nach aussen.

Im Hintergrund hören wir einen alten Adalbert Lutter-Tanzorchester Schlager:

Küss mich! Bittebitte küss mich! Eh die letzte Bahn kommt, denn ich muss nach Hause! Küss mich ohne Pause….

Der Zug mit Ulli und Gero auf dem Dach rauscht davon. Beide winken fröhlich.

Clementi blickt durch eine Kameraoptik. Wir hören gefährliche Musik.

Standbild. Clementi im Fadenkreuz.

Ende des Films.

1992-1993 Heino Ferch (im Alter von 29) – Gero von Wilfenstein und Figurenmasken Arzt, Oberst, Richter, Dörte Lyssewski – Ulli und Figurenmasken Investigativjournalistin Friederike Kummer, OP-Schwester, Bodenschrubberin, Soldatin, Quizmasterin, Ulrich Muehe – Investigativjournalist Carl Clementi.



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