Filmszenen I „…müßte ich Sie bitten, das Portal einzuschlagen.“ in: Napoléon. Porträt Caulaincourt -Heino Ferch Teil 1. 2002

Bildquelle und Bildrechte: Universal Pictures und BETA-Film 2003

„…müßte ich Sie bitten, das Portal einzuschlagen.“ in: Napoléon. Porträt Caulaincourt Teil 1. Regie: Yves Simoneau, Drehbuch: Didier Decoin, Max Gallo, Fr, D, IT, CAN, USA, UK, HU, ES, CZ, 2002


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Vor der Szene:

Napoléon Bonaparte läßt den Herzog von Enghien aus dessen englischem Exil nach Frankreich schaffen, um ihn dort exekutieren zu lassen.

Der Royalist D´Enghien soll dem französischen Volk als verantwortlich für das Attentat auf Napoléon präsentiert werden.

Tatsächliches Motiv ist, den Thronaspiranten d Énghien aus dem Weg zu schaffen.

Szene Festnahme

Wir schreiben das Jahr 1804.

Bosketten im Park eines Barock-Schlosses.

Hohe grünbelaubte Bäume, umrahmt von präzise beschnittenen Buchsbaumhecklein, Sandwege, um sich dort im kühlen Schatten zu ergehen.

Hier und dort eine steinerne Gartenstatue auf kartuschenverziertem Sockel.

Auf uns zu kommt ein Offizier höchsten Ranges, schlank, eher Askententyp, seine Haltung spiegelt innere Disziplin, – Er hat gerade seine weissen Handschuhe abgestreift.

Die elegante, aber bestimmende und bestimmte Geste, mit der er jetzt seine Hände auf dem Rücken verschränkt, zeigt uns ganz nebenbei, dass sein Rang und Status unangezweifelt integraler Persönlichkeitsbestandteil ist.

Blaue Uniform mit Goldknöpfen, steifer goldposamentierter Stehkragen, langer Mantel mit goldenen Knöpfen, weisse Handschuhe und Kniehosen, Kavalleriestiefel, Degen an roter Koppel. Haartracht in der Art der Jahrhundertwende zum 19. Jh. mit weit in die Wangen gezogenen Koteletten und hochfrisierten Stirnlocken.

Als der Offizier uns erreicht, fährt die Kamera zurück und zeigt uns, dass aus einer Seitengasse der Bosketten eine erhebliche Anzahl französischer Soldaten in blauweissrot heranmarschiert.

Ein anderer Offizier – es kann nur ein Offizier sein, ein Soldat niedrigeren Ranges dürfte unseren Mann gar nicht ansprechen – fragt aus dem off:

Und wie wollen Sie das anfangen?

Er antwortet der Stimme, deren Platz im off wir einnehmen:

Mit Stil – und guten Manieren. Wir sollten sehr höflich an der Eingangstür klopfen.

Uneingedenk der entwarnenden Antwort ist seine Stimme ein wenig behaucht und auffällig gepreßt.

Sie läßt uns einen hohen seelischen Druck fühlen, eine Eigenart, die ihn beständig begleitet und uns eine innere Unbequemlichkeit verursacht. Eine Mißbehagen, das er selbst zu fühlen scheint wie eine viel zu enge Uniformjacke.

Später werden wir erleben, daß er ein Mann ist, der sich in unmittelbarer Nähe des Kaisers zu bewegen hat und wiederholt die unerquicklichsten Wahrheiten und Botschaften an Napoléon vermitteln muss.

Seine dezente, diplomatische und immer um friedlichen Ausgleich bemühte Art und Ausdrucksweise bereitet ihm selbst eminenten inneren Druck.

Ein Kameraschwenk während des Dialoges zeigt uns das Schloß.

Es ist eine gewaltige Vierflügelanlage mit Eckrisaliten und kolossalen Pilastern. Massen von Soldaten mit aufgepflanztem Bajonett laufen darauf zu. Unser Offizier dreht sich weg und sieht sich das Ganze an.

Und wenn er nicht öffnet? fragt die Stimme.

Unser Mann kehrt zu uns zurück. Er sieht dem Frager direkt ins Gesicht: unaufgeregt, nur ein wenig besorgt, sagt er:

So leid es mir täte, aber in diesem Fall müßte ich Sie bitten, das Portal einzuschlagen.

Die Nahaufnahme enthüllt uns die Identität unseres Offiziers. Es ist: – ein hanseatischer Fregattenkapitän, verkleidet als französischer Kavallerie-Offizier. Nee..
Es ist: …Heino Ferch. Hach, auch falsch..
Nochmal: Es ist:

Ach, wir erfahren es jetzt noch nicht.

Wir dringen in das Schloß ein. – Schnitt. – Wieder am Portal. Der Herzog von Enghien erscheint und wird durch ein Doppelspalier von Soldaten zu einer Kutsche geführt, die vor dem Portal wartet. Unser Offizier geht direkt hinter dem Herzog und gibt dem Kutscher den Abfahrtbefehl, als d´Enghien eingestiegen ist.

In den Gemächern des Louvre.

Napoléon Bonaparte diniert mit seiner Frau Mama. Man bespricht Familienangelegenheiten.

Aus der Antichambre nähert sich ein Offizier in Blauweissrot. Er bleibt am Saaleingang wartend stehen, bis Napoléon durch ein Nicken bestätigt, dass er näher kommen darf.

Der Offizier, es ist unser wohlerzogener Seigneur von vorhin, tritt mit der gebotenen subordinativen Haltung näher, verneigt sich gegen die Mutter des Ersten Konsuls

Verzeihen Sie Madame

Verzeihen Sie, wenn ich störe, aber der Herzog von Enghien ist in Frankreich.

Napoléon: Wie gibt er sich?

Der Offizier wagt eine Antwort, die implizit Partei für den Gefangenen nimmt::

Ruhig- zerbrechlich – blaß – erschöpft..

Napoléon: Und wahrscheinlich hochnäsig.

Der Offizier verstärkt seine Parteinahme für d´Enghien:
Nein, äußerst würdevoll.
Er ist ein Prinz aus dem Hause Frankreichs.

Unser Mann hebt eine Augenbraue, er erlaubt sich, durch diese Geste seine eigene Meinung anzudeuten.

Seine gewagten Worte stehen mit seiner untadeligen und atemlos subordinativen Körperhaltung in der milimetereng auf Körper geschnittenen Uniform in einem so ausgeprägten Kontrast, daß uns selbst ganz unbequem zu Mute wird.

Napoléon, nicht unzufrieden: Vielen Dank, Caulaincourt.

Napoléons Blick zeigt uns, dass er Caulaincourt schätzt.

Armand Augustin Louis, Marquis de Caulaincourt wendet sich mit einer kleinen steifen Drehung gegen die Kaisermutter. Der hohe Kragen seiner Uniform verhindert jede seitliche Kopfbewegung..

Madame..

Dann gegen den Kaiser:

…guten Appetit!

und zieht sich, die ersten Schritte rückwärts gehend, von der Tafel zurück.

Wir empfangen ihn in der Antichambre. Er kommt auf uns zu, verhält einen Moment seinen Schritt, lang genug, dass wir ihm ins Gesicht blicken können.

Er sieht sehr besorgt aus, extrem ernst, geradezu um Jahrzehnte gealtert.
Er atmet tief durch: Ein nicht mehr ganz junger Herr um die Vierzig
(ja, ich weiss, er dürfte 1804 erst 31 sein), selbst erschöpft und blaß, der eine harte Aufgabe hat, eigentlich zu hart.

Danach wird er nicht gefragt werden.

Seine Aufgabe wird es sein, den Duc d´Enghien, Cousin Ludwig des Sechzehnten, erschießen zu lassen.

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Armand Augustin Louis, Marquis de Caulaincourt – Heino Ferch (im Alter von 38. Ferch wird faszinierenderweise als Caulaincourt gut acht bis zehn Jahre älter wirken (die dargestellte Lebenszeit Caulaincourts übergreift ca. zwei Jahrzehnte) und das ist nicht nur der Maske zu verdanken.
Es ist die seelische Ausstrahlung eines älteren Herrn, ohne prominent maskuline Aura – am Ende, nach 1814, im Kontakt mit der blutjungen polnischen Gräfin Walewska sogar mit beginnender Vorahnung einer Art von Altersgüte.)

Duc d’Enghien- David la Haye Filmographie la Haye

Napoleon – Christian Clavier Filmographie Clavier

Fotostrecke Napoléon

für Geduldige: Interview mit Heino Ferch zu Napoleon

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