Filmszenen I „…für Dich!“ in: Deutschlandlied. Porträt Hanno (Heino Ferch), Teil 3c . Regie: Tom Toelle, Buch: Peter Märthesheimer, 1994

Teaser Film Deutschlandlied

Bildquelle Homepage Katja von Garnier, alle Bildrechte bei ZDF und TV 60 München

Hören statt Lesen – Kino im Kopf: Audio.mp3

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„…komm – bitte, Lisa!“

Lisa kann ihm nicht folgen, sie blickt nach unten, weg, zu Boden, schmerzlich, mit schlechtem Gewissen. Ihr Mann Theo ist noch in ihrem Herzen auf Platz eins, Hanno ist für sie in gewisser Weise der kleine Bruder ihres Mannes mit temporärer Vertretung seiner Haus- und Eherechte.

Hanno versucht, Lisas Gefühlsabsturz aufzuhalten, er steht immer noch neben der Kommode.

Er sieht zu ihr hin. Sein Gesicht ist anders geworden. Die Freude ist ganz erloschen.

Es ist ein komm – bitte Lisa, im Blick

Er, seine Jugend, seine Hoffnung, sein Wunsch mit Lisa zusammen zu sein, liegt in diesem bittenden unsicheren Moment.

Schnitt.

Hanno macht zwei Ansätze, zu ihr hinzugehen, zögert doch zwei Mal, es bewegt sich etwas Aufgewühltes in ihm. Er saugt Luft ein und wirkt dabei bestürzt über Lisas Traurigkeit.

Beim zweiten Mal öffnet der den Mund, als wolle er ihr etwas sagen.

Lisa driftet ab, sie schaut auf ihre Hände – furchtbar traurig, ihre Augen sind nass.

Hanno fühlt, dass er zu ihr hingehehn muss. Das tut er dann auch.

Jetzt erzählt uns die Kamera etwas über Hanno.

Uns teilt die Kamera etwas mit, was wir in den früheren Einstellungen schon vergessen hatten, einen Aspekt von Hannos Realität.

Das, was uns die Kamera berichtet, ist nicht Thema zwischen Hanno und Lisa, es wird unser, das Thema der Zuschauer werden und es wird Seitenthema den ganzen Film hindurch bleiben.

Das Thema heißt Kraft und Gebrochenheit, strotzende Lebenskraft und Versehrtheit eines jungen Lebens; Hannos physische und psychische Verfasstheit.

Blick auf Lisa aus sehr tiefer Kameraposition, etwa Kniehöhe. Sie sitzt hinten auf der Couch zusammengekauert, im roten Morgenmantel .

Wir sind hinter Hanno, der jetzt ein paar Schritte auf Lisa zumachen wird, Schritte die nötig sind, um zur Couch zu gelangen.

Wir sehen nur Hannos Beine ganz nah, wir sind beim ersten seiner Schritte direkt hinter ihm, er durchquert das Bild von links bei uns nach hinten rechts bei Lisa.

Hannos jugendlich strotzende Kraft ist gebrochen. Die Kamera zwingt in unserer Wahrnehmnung die Tatsache zurück, dass Hanno versehrt ist.

Er braucht sechs Schritte bis zu Lisa, jeder zweite bricht schleppend ein und zeigt uns, dass Hanno nicht so rund und strotzend ist, wie wir  uns unseren vor Unternehmensfreude aus allen Nähten platzenden jungen Stallion längst wünschen.

Seelische und körperliche Verfasstheit bilden hier in diesem Moment ein Echo.

Daß wir Hanno plötzlich wieder hinken sehen, löst einen leisen Schmerz aus, es ist eine Art Mitgefühl. Wir wollen gerne, das der junge ungestüme Hengst rund und ganz ist. Jetzt können wir seine Gebrochenheit nicht weglügen, wegverdrängen. Die Kamera hämmert sie uns in die Augen. Ein leises Ziehen über dem Herzen entsteht. Wer braucht hier eigentlich Trost, wir, Hanno, Lisa?

Hannos Schritte konfrontieren uns mit einer erzwungenen Fermate in Hannos Leben, nageln sie uns mit jedem zweiten seiner Schritte ins Herz, dass wir einen leisen Schmerz ans Brustbein dringen fühlen, ganz leise nur, aber eben doch da.

Die Versehrtheit ist unbarmherziger Fakt und unauslöschlicher Teil seiner persönlichen Realität.

Hannos Kleidung und die nahen Kameraeinstellungen unterstützen unsere Wahrnehmung. Wir stehen fast ständig in fast jeder Einstellung direkt hinter seinem Atlethenrücken. Der Stoff des Hemdes ist so dünn, dass wir seinen perfekten Oberkörper permanent präsentert bekommen.

Seine Beinkleider dagegen sind das genaue Gegenteil. Eine Ruine, sie sind ihm viel zu groß, abgeschabt, abgetragen und halten nur durch die Hosenträger.

Hanno hat Lisa erreicht, er lässt sich sanft und fast vorsichtig neben Lisa auf der Couch nieder, streckt unbewußt das Bein mit dem versehrten Fuß in eine stabilere Postion.

Dabei legt er Lisa die Nylons  in die Hände, beugt sich zu ihr und küßt ihren Nacken. Er faßt sie nicht an.

Er stützt sich mit einer Hand auf die Sitzfläche hinter Lisa, die andere liegt locker zwischen seinen Knien. Der Geste fehlt jede männlich zupackende Inbesitznahme. Sie oszilliert. Wir erholen uns gerade noch von der Erinnerung, daß Hannos Kraft nicht ungebrochen ist – da beobachten ihn bei seinem zarten Versuch, Lisa zu trösten.

Lisa kommt innerlich langsam zu sich zurück, sie reagiert auf die zärtliche Berührung.


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