Filmszenen I „..ich würde gerne mit Dir reden…“ Heino Ferch als Anton Glauberg in: Mord am Meer. 3b, ZDF, 2004-2005

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„..ich würde gerne mit Dir reden…“ Heino Ferch als Anton Glauberg in: Mord am Meer. Glaubergs Familie Teil 3b, Regie: Matti Geschonneck, Buch: Thomas Kirchner nach Roman von Ulrich Woelk, TV-Film, ZDF, 2004-2005

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Schnitt.

Close up Glauberg

…ich hatte meinen Vater nur als Onkel Manfred kennengelernt.


Er sieht sehr bedrückt aus, preßt die Lippen zusammen.

Die Dunkelheit, die Verkrampfung, die häßliche extrem trostlose Umgebung läßt eine Aura von Vereinsamtsein um ihn entstehen. Sein Blick geht resigniert zu Boden, in sich verkrampft.

Nach kennengelernt wirkt er wie jemand, dem plötzlich das Herz wehtut, dem Tränen kommen, die er im letzten Moment noch wegdrückt.

Meine Mutter hatte ihn immer so vorgestellt…

Er dreht sich vom Fenster weg..

Wir sehen, wie er sich auf das Bett setzt. Um ihn herum grotesk häßliche Geschmacklosigkeit, grausige Tapete, schwere häßliche Vorhänge aus 70er Jahre-Stoff, grauenhaftes AWACS-Gebirgskitschbild an der Wand, mitten in Berlin. Da, in all das hinein sagt er die Worte:

Sie hat ihn geliebt und wurde dafür verachtet…

Die häßlich anonyme, verstaubt-versiffte Umgebung und die dramatischen Worte bilden einen kaum zu ertragenden Gegensatz.

Glauberg fällt es schwer, weiter zu reden. Er macht eine Pause, blickt zu Boden, sammelt neue Kräfte.

…und als mein Vater wußte, daß er sterben wird, kam er zu mir und weinte….

Die Innenwelt dieses Mannes, der gerade über Cornerstones seinen Lebens redet und diese Außenwelt hier, in der sich sein Körper befindet, sind zwei Welten, Sphären, Räume, die in keinem Kontakt zu einander stehen dürften.

Weil sie es tun, ist diese Szene furchtbar.

..und…

Schnitt.

Überwachungswagen. Rechts der Rücken eines Abhörenden, frontal vor uns der Stimmaufzeichnungs-Bildschirm des BKA, der Glaubergs Stimme in Frequenzen zerlegt als springende Vertikalbalken zeigt.

Die Balken visualisieren den Text :

..als ob er eine Art Absolution erwartet hätte .. und…

Wieder das unerträgliche Auseinanderklaffen zwischen Hoch-Persönlichem, das sich Glauberg in einem Ton entringt, der uns mitleiden läßt
und der eisig kalten technokratischen Beobachtung dieses Menschen, dieses zerquälten Menschen durch Überwacher.

Das persönlich gesprochene Wort, das den Sprechenden an die Grenzen seiner Selbstbeherrschung trägt, entstellt zu technischen Tonfrequenzaufzeichnungen.

Das ist von einer Grausamkeit, die Übelkeit erregt.

Plötzlich – wir sehen das betroffene Gesicht des BKA-Chefs, der zuhört- ist das AB-Band zu Ende, die Aufnahmezeit abgelaufen.

Felix und Sylvia schnarren vom Band:

..danke für Ihren Anruf – bis bald….

Schnitt.

Close up Glauberg:

…scheisse… er schließt das Handy und wirft es auf das Bett.

Er blickt angespannt vor sich hin, atmet dann aus und sieht nach dem Umschlag auf seinem Koffer. Es sind die Fotos, die seinen Bruder zeigen. Er nimmt sie aus dem Umschlag und sieht sie sich an.

Plötzlich Totale.

Wir werden zurückgedrängt. Hinten im Raum sitzt Glauberg auf dem Bettrand, die Fotos in der Hand, er beugt sich nach vorne, stützt die Ellbogen auf, läßt die Fotos sinken, eine Hand fährt an die Stirn, an die Nasenwurzel.

Wir werden gezwungen, seinen Atem zu hören.

Glauberg beißt die Zähne zusammen. Trotzdem hören wir, daß seine Verkrampfung in Weinen übergeht.

Wir sind zehn Schritte von ihm entfernt und müssen zusehen, wie Glauberg immer mehr geschüttelt wird von resigniert verzweifeltem Weinen.

Wir schämen uns, diesem Moment tatenlos voyeuristisch beizuwohnen, wir haben das Gefühl, es steht uns eigentlich nicht zu, diesen Menschen einfach so aus der Totale zu beobachten.

Gleichzeitig beginnt unser Herz schwer zu werden, zu schmerzen, der Moment, da wir davorstehen und nicht tröstend eingreifen können, belegt unser Herz wie Blei.

Der Moment zieht und zieht sich. Glauberg weint immer mehr.

Druck entsteht in unserer Brust, die Situation scheint unerträglich.
Ach ach

Dann erlöst uns ein Schnitt.

Totale.

Vogelperspektive.

Berlin Panorama im Dunst. Es ist Morgen. Funkturm, Siegessäule, Reichstagskuppel, ein riesiger orangefarbener Glutball am Horizont, die Luft wie milchig patiniertes Silber. Eos, die Morgenröte, verklärt das Panorama – rosenfingrig, safrangewandet.

Die Sonne geht auf.

Anton Glauberg – Heino Ferch, Paula Reinhardt – Nadja Uhl.

Regie Matti Geschonneck


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