Filmszenen I Marginalien II Filmkritik „Der geheimnisvolle Schatz von Troja“: Symbole und Emblematik.

Teaser zum Film

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Anmerkung zur Erzähldramaturgie:

  • Trotz zeitgenössisch korrekter Ausstattung  sind große Teile der Handlung fiktiv in (Anlehnung an den Roman Der Griechische Schatz von Irving Stone), um einen stringentes Erzähltempo erzeugen.
  • Die Erzähldramaturgie des Filmes spiegelt Einflüsse aus den Literaturgattungen Epos, RomanzeErzählung. Die Visualisierung der Motive greift dabei in vielen Szenen auf Bildkompositionen der Europäischen Malerei des 17. – 19. Jahrhunderts, besonders des Orientalismus, zurück. (Aufsatz dazu in Vorbereitung 2.8.2008)
    Unterstrichen wird die epische Erzählweise von der rhythmisch gebundenen Sprache, die durchgängig einem Vierertakt folgt. Unmerklich, aber absichtsvoll, alludiert der Sprachstil hiermit auf den Originalton der Homerischen Ilias, die in gebundenem Versrhythmus verfasst ist.
  • Ebenfalls an die Ilias angelehnt ist die anfängliche Charakterisierung Schliemanns als eines Mannes, dessen Maxime lautet, der Beste zu sein und den anderen überlegen. (Aien aristeuein kai hypeirochon emmenai allon.) – Hier bezogen auf die Richtigkeit seiner eigenen Meinung von der Wahrheit der geografischen Lageangabe in der Ilias für Troja.
  • Im Verlauf der Filmhandlung erwirbt die Filmfigur Schliemann jedoch die vier Charaktereigenschaften des homerischen Heros. Das sind:
    aidós
    (Respekt und Rücksicht): vor den Rechten der Einheimischen und Arbeiter, vor Sophias Willen,
    éleos
    (Mitleid): mit den kranken Arbeitern seines Lagers,
    kléos (Ruhm): mit dem Schatz des Priamos und
    timé
    (Ehre): vor der Gelehrtenschaft der Akademie zu Hause in Berlin.

Anmerkungen zur Kritik

  • PR-Strategie: Die erhebliche Medien übergreifende Film-PR vor der Ausstrahlung in der Frauenpresse, gehobenen Publikums- und sogar Tagespresse (Doppelseitige Anzeigen, Artikel in Focus, Die Welt, AZ, BZ, SZ), Radio- und Fernsehspots, die natürlicherweise keine Rücksicht auf die SAT.1 Zielgruppe im Speziellen nehmen konnte, weckte zielgruppenübergreifend bundesweit Erwartungen, welchen der Film ausserhalb der SAT.1-Zuschauergruppe nicht standhalten konnte. Die logische Folge waren negative Kritiken in der gehobenen Publikumspresse. – Ein Problem zwischen Zielgruppenansprache in der PR-Strategie und Konstruktion des Filmes, zu Lasten des Spiritus rector und Hauptdarstellers des Filmprojekts, eines Projektes, dessen Entwicklung und finale Durchführung ein halbes Jahrzehnt überspannt hatte.
  • Erzählweise: Die märchenhaft epische Erzählweise des Filmes kollidierte einerseits mit der Erwartung des deutschen Fernsehpublikums, im Stil eines Dokudramas Aufklärung über die historische Figur Heinrich Schliemann zu erhalten, andererseits mit dem Versuch, dem Publikumsgeschmack in der Erstverwertung im Deutschen Fernsehen und dem differierenden Publikumsgeschmack für intendierte Zweitverwertungen in anderen Ländern und dem Medium DVD gleichzeitig gerecht zu werden. Szenen wie der Scheintod Schliemanns mit den Worten „Troja brennt zum zweiten Mal“ sind für die Rezeption im Deutschen Fernsehpublikum problematisch, während sie in anderen Ländern wie z.B. der Türkei wohl als Handlungshöhepunkt akzeptiert werden.

intellectual property of ignazwrobel 2007-2008

Dieser Film ist kein rein historischer Heinrich Schliemann Film. Es ist ein emblematischer Heinrich Schliemann Film.

Was heißt das? Der Film benutzt die historische Figur Heinrich Schliemann und ein Kapitel seines Lebens, um ein Gleichnis zu erzählen.

Das Thema des Gleichnisses heißt: Wer bin ich? Wie finde ich Frieden? Wie finde ich Glück? Auch die Handlungen Schliemanns im Film sind gleichnishaft zu verstehen. Graben zum Beispiel bedeutet sich tief einlassen.

Das auffällig wütend berserkerhafte des Grabens bedeutet etwas mit aller Leidenschaft tun – und so weiter…

Vor dieser Deutungsart des Films werden die Beschwerden über mangelnde Historizität natürlich leider lächerlich, da die Historienkritiker nicht erkannt haben, dass sie sich in einer Fabel, einem Gleichnis, einer Parabel befinden.

Natürlich bleibt diskutierbar, ob eine historische Figur jüngerer Geschichte als Gleichnisfigur gebraucht werden darf, oder besser, ob sie von uns zeitgenössischen Rezipienten trotz ihrer historischen Nähe als solche entschlüsselt werden kann. Schon die zeitgenössischen Symbol-Figuren in „Vom Suchen und Finden der Liebe“ wurden vom Publikum in ihrer Funktion als Gleichnisträger nicht erkannt. .z.B. die Griechische Hirtin: „Er hat aus meiner Quelle getrunken…(Gleichnisbedeutung: seelische Erfrischung, Erneuerung)“

Symbolik-Emblematik (histor. Beispiel)

Alciati Emblematum Liber Emblematum 110: love of virtue
Alicati Emblematum liber.
Emblematum 110 love of virtue

Text:
Anteros, which is the love of virtue

Tell me where are the curving bows?
Where are the weapons, Cupid, by which you are accustomed to transfix the tender hearts of the young?
Where is your sad torch?
Where are your arrows?
Why does your hand bear three garlands?
Why does your decorated forehead bear another garland?

Nothing in me welcomes the common Venus,
and no form of pleasure has captivated me.
But I kindle in the uncorruputed minds of men
the fires of learning,
and draw their spirits
to the lofty stars.
And out of that very virtue
I weave four garlands,
of which the first,
that of Sophia,
decks my temples.

Offiziell erzählt uns „ Der geheimnisvolle Schatz von Troja“ ein Kapitel aus der Lebensgeschichte einer historischen Persönlichkeit, Heinrich Schliemann. Eckpunkte der Handlung orientieren sich an Irving Stone „Der griechische Schatz“.

Obwohl die Geschichte ganz prächtig in sich funktioniert, hat sie natürlich – wie fast alle Ferch-Filme nach 1997- auch eine emblematische, eine archaische, eine in Bildern sprechende tiefenpsychologische Bedeutungsebene aus dem Blickwinkel der jeweiligen Figur, der wir folgen.


Was wird uns erzählt?

Entwicklung einer Karriere

Uns wird erzählt – die Geschichte der Entwicklung einer Karriere – und noch einmal: eine Geschichte „Vom Suchen und Finden der Liebe“.

Der Goldschatz (die Suche nach einer Stadt driftet ganz unmerklich im Verlauf der Handlung zu einer Suche nach einem Goldschatz) ist ein Symbol für das Glück eines Lebens.

Um das Glück des Lebens finden zu können, muss man graben, tief hinunter graben, sich einlassen, um sehen zu können, was dort unten verborgen ist.

Nur weil dieser Mann sich entschließt, hinunter ins (noch) Verborgene unter der Oberfläche zu graben, wird ihm das Glück, der Goldschatz, geschenkt. Graben ist viel viel Arbeit, schweißtreibende, mitunter frustrierende Arbeit. Und trotz allen Einsatzes weiss man nie sicher, was dabei herauskommt. (Yannakis zu Schliemann „Troja?! – oder Ziegenstall?“ – Etwas Großes, Einmaliges? – oder etwas Belangloses?)

Beachtet in der Filmhandlung:

Der Mann gräbt in allen Stadien der Entwicklung des Grabungsortes immer auch selbst, das heißt, er sucht unter Aufbietung all seiner Kräfte – wie angestrengt er die Lore schiebt, wie er geradezu manisch wütend tiefer gräbt.Bussard kreist am Himmel

Beachtet, er tut den ersten Spatenstich nach der Maßgabe der Fantasie seiner Kindheit: dort kreiste der Raubvogel – hier kreist der Raubvogel, wie damals. Der Vogel – id est, die Erinnerung an die Phantasien seiner Kindertage- dient als Wegweiser.)

Gemeinsames Entdecken des Glücks, des Goldschatzes

Wichtig in dieser Geschichte hier ist, dass beide zusammen, Schliemann und Sophia gemeinsam diesen Goldschatz tief unter der Oberfläche des Alltäglichen entdecken.

Gemeinsam finden die Beiden das Glück, das Lebensglück, undzwar durch gleich starken Einsatz beider Partner. (Sophia war immer wieder stark, wenn Schliemann einen Schwachpunkt hatte, trieb vorwärts, hatte Ideen und hielt durch.) (abweichend von den historischen Tatsachen)

Glaube an sich selbst

Das ist eine Geschichte, die uns von unerschütterlichem Glauben an das Vorhandensein von etwas Bestimmtem, erzählt.

Die Geschichte porträtiert einen Dickschädel, der an das noch Unsichtbare und noch Ungreifbare unbeirrbar glaubt, obwohl er ausgelacht wird. Dieses (Noch-)Unsichtbare sieht zunächst zwar nur er, er dafür aber im Geiste bereits, als wäre es Wirklichkeit. (Yannakis über Schliemann: „Er sagte einmal: Mir ist, als hörte ich Achill sprechen…ich hielt das für Prahlerei…“)

Intrige und Diplomatie

Schwierigkeiten tauchen auf. Man intrigiert gegen diesen Mann. Aber: der Mann ist wendig, er hat „the right connections“, er hat die besseren Verbindungen, er hat einen hellen Kopf, verbindet geschickt Eigennutz mit Gemeinwohl und er kann sich aufgrund all dessen seinem Ziel weiter nähern: dem Ziel, zu finden, was er sucht.

(in der Filmhandlung verschafft er seinen Mentoren etwas, was diese benötigen und bekommt dafür ihren Schutz und eine weitere Grabungserlaubnis).

Mehrmals wird er totgesagt. Fehler: Er kommt immer wieder.

Ehemalige und neue Beziehung

Eine ältere Frau spielt noch in die Geschichte hinein, vom germanischen Typ, wie der Mann sie einst gekannt hatte. Am Ende scheint für diese Vergangenheit eine Art Befriedung eingetreten zu sein.

Die junge Frau, von exotisch-dunklem Typ mit dunklen Augen, dunklem Haar und olivfarbenem Teint, fällt diesem Mann nicht einfach so zu. Wir sehen, wie viel Arbeit an sich selbst die neue Beziehung für beide bereit hält. Sophia muss lernen, an Schliemann seine menschlichen Qualitäten zu erkennen, Schliemann muss lernen, sein Ich bei sich selbst und nicht in immerwährender Suche im Aussen zu finden. Beide schleifen sich aneinander, lernen voneinander. Die Belohnung für ihre mühevolle Arbeit ist ein Goldschatz, Symbol für ihr Lebensglück.

Diesen Schatz können die beiden aus der „alten Welt“ , die sich der Mann erbaut hatte (im Film der Großgrabungsstätte Hissarlik) in die „neue Welt“ hinter den grünen Hügeln retten.

Schliemann nimmt den Goldschatz mit sich, als beide, er und seine Frau, im Schlussbild Hissarlik Seite an Seite in ihre gemeinsame Zukunft in den grünen Hügeln reiten.

Befriedung der Nachbarn

Die Geschichte erzählt auch von einem Mann, der sich auf begrenztem Terrain seinen Platz verschaffen will und muss und dadurch Andere, ehemalige Besitzer desselben Terrains, gegen sich aufbringt. Aber, dem Mann gelingt es, nach anfänglichen Fehlern – ein Versuch, sich auf Kosten der anderen durchzusetzen, misslingt und kostet ihn beinahe seine Existenz – durch sozial kompetentes Handeln aus Feinden Freunde zu machen.

(Im Film wird der Besitzer des Terrains aus einem Feind, der auf Schliemann schießt, ein Freund, der sich für die Versorgung seines kranken Kindes bedankt.)

Aus Eifersucht wird Bewunderung

Keine erwachsene schöne junge Frau hat keinen Freund. Auch diese hier nicht, ein gleichaltriger Junge ist ihre Liebe, als der Mann auf den Plan tritt. Der Mann zeigt uns, dass er in der Lage ist, durch ein beachtliches Mass an Toleranz die Glut der Eifersuchtsgefühle auszutreten. Zum Schluss hören wir sogar, dass der junge Mann gelernt hat, Bewunderung für den Älteren zu empfinden.

Eine Tochter

Und dann erzählt uns der Film noch vom Abschied von der Trauer. Das zwölfjährige Mädchen des Bauern ist ganz ähnlich seinem ihm entrissenen Kind. (Die Filmhandlung: Natalia musste sterben, aber die Tochter des Bauern lebt, ihr konnte er helfen. Blicken wir Schliemann in der Schlussszene Hissarlik ins Gesicht, sehen wir deutlich: da verabschiedet sich nicht nur ein Mann von einem Mädchen, sondern auch ein Vater von einer, seiner Trauer um sein Kind.)

Einschnitt – Ende eines Lebenskapitels.

Wir verlassen den Mann in dem Moment, in dem er sich, nun im Besitze seines Lebensglücks, aus Hissarlik, dem gigantischen Grabungsabschnitt, der sich aus mageren Anfängen zu einem komplexen Riesenprojekt entfaltet hatte, entfernt. Ein Lebens-Kapitel ist abgeschlossen. Das neue beginnt dort hinten am Horizont der grünen Hügel.

Gruene Huegel


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23.6.2007

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