Filmszenen I „…Was macht denn die Brosche hier?“ Teil 1. Heino Ferch-Weber in: Buddies–Leben auf der Überholspur. 1995-1996

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„…Was macht denn die Brosche hier?“ Teil 1. Heino Ferch als Loader Weber in: Buddies – Leben auf der Überholspur. Regie: Roland Suso Richter, Buch: Holger Karsten Schmidt und Philip Voges, 1995-1996


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Hamburg. Containerhafen.

Männerwelt. Schnelles Geld. Schnelle Autos. Schnelle F.ck.s auf dem Bürotisch oder im Waschraum. Knallharte Hierarchien, Aggressionen, Wettstreit, Winner, Looser, Selbstbeweise. Statussymbole, ein gigantisches Büro mit Blick auf den Hamburger Containerhafen, direkt über dem Wasser.

Eine Firma, Rimko Anleger-Vermittlung GmbH. Die Firma hat vor, schnell großes Geld mit Warentermingeschäften zu machen.


Riesenbüro, Empfang mit s.x.y Empfangsdame, Jo Rimkeit, Mitte Zwanzig, ist der Boss. Ein Zweimeter-Mann, sieht nicht wirklich unsympathisch aus. Goldkettchenträger, offenes Hemd, mit langen Kragenspitzen – schwarzer Anzug und (das sahen wir vorher) knallroter Ferrari.

Die Hauptfigur, Henrik Wedekind (Jürgen Vogel) , ca 27, erfolglos, in Geldnot, wurde geködert mit zehntausend Mark. Rimkeit und er waren in der Jugend best friends, Buddies.

Henrik kann bei Rimkeit anfangen. Die Zehntausend sind Vorschuss.

Die Szene

Totale. Das Hauptbüro für die Ameisen-Mitarbeiter: Gut Hundert Quadratmeter, wir sehen eine Menge Leute, Besprechungstisch groß wie fünf Tischtennisplatten, massenhaft Platz , rundum Panoramafenster.

Schmidt führt Henrik zu seinem künftigen Arbeitsplatz, öffnet die Tür zu einem Nebenbüro:

ein dunkles Loch ohne Fenster.

In der Wand ein riesiger Ventilator, dessen rotierende Lamellen flackerndes blaues Licht in den Raum werfen. Rauchgeschwängerte Luft, senfgelbe Lichtkegel aus kleinen Schreibtisch-Schirmlampen über den fünf Schreibtischen. Telefone, Telefone. Gesichtslose Menschensilhouetten mit Telefonhörern, ununterbrochenes Gebrabbel.

Henrik: Was – hier?

Schmidt ist der einzige ältere Mann in der Firma und ab sofort Henriks Pate,

Ja, hier, setz´dich! Es gibt hier nichts, was Dich von der Arbeit abhalten könnte.

Siehst Du die Tür? Du gehst jeden Tag zwei mal raus, zum Mittagessen und bei Feierabend. Den Rest des Tages telefoniert Du.

Schmidt: Wir nennen es das Broschenzimmer und Du bist jetzt ein Broschenmann.

Warentermingeschäft – WTG.

Es gibt jede Menge Leute, die haben so viel Kies, daß sie nicht wissen, was sie damit tun sollen.

Den´ mach´ste klar, daß die mit ihrer Gewinnspanne bei der Bank so arm dran sind, daß der Banker noch nach Feierabend drüber lacht.

Die Firma bringt die Kunden zuerst dazu, in WTG zu investieren dann, bei drohenden Kursverlusten, durch Verschärfen des psychischen Drucks, nachzuinvestieren – bis zum Ruin.

Schmidt: … Und wir kassieren trotzdem Provision….!

Frage: Und das is´ legal?

Schmidt Gegenfrage: Ist Wasser nass?

Schmidt erklärt den „Workflow“: Es gibt hier vier Sorten von Leuten:

Du bist jetzt ein Broschenmann, reißt die Kunden auf, schickst ihnen ´ne Brochure.

Dann kommt der Opener, und macht dem Kunden den Mund wässrig. Zuletzt übernimmt der Loader und regelt alles.

Und die Vier?

Die Nummer Vier ist der Plattmacher.

Das kommt später.

Schnitt.

Henrik telefoniert.

Er durchläuft alle Lernphasen eines Telefonverkäufers. Ängstlichkeit , Zuversicht, Arbeitswut, Hoffnung, Ungeduld, Präzision, Wurstigkeit, Verzweiflung und Neuansatz, er kalibriert sich immer besser auf den nötigen Ton ein.

Vor ihm ein Gesprächsleitfaden der Rimko-Anleger-Vermittlung GmbH.: Einwandbehandlung.


Ein paar Tage später. Nach einem mißlungenen Aufreiß-Versuch geht er raus, um sich Infos zu holen. Er geht in das Riesenbüro.

Hör mal Schmidt….. will er seinen Paten ansprechen.

Blaues Tages-Licht. Graue Böden. Kalte Atmosphäre.

Schmidt sitzt am Tisch mit drei anderen Männern, die sich angespannt und hoch konzentriert über irgendwelche Papiere auf dem Tisch beugen.

Die Männer blicken auf, ärgerlich.

Einem der drei klebt eine kalte Zigarette im Mundwinkel.

Der Typ hat glatt nach hinten gegeeltes Haar, trägt Jacket, schwarzblaues Polohemd, Kragen offen. Mit seiner Faust, die er mit gestrecktem Arm am Tisch aufstützt, möchte man keine nähere Bekanntschaft machen.

Aggressiv: Was macht denn die Brosche hier?

Wir folgen Henrik auf dem Weg zu den Männern, stehen jetzt mit ihm am Tisch, die Kamera umfährt die Gruppe. Schuß auf Henrik.

Henrik aufgeregt:

Ich kann so nich´ arbeiten, wie soll ich ´n jemand heiß machen, wenn ich nich´mal die aktuellen Kaffeepreise kenne…?

Der Zigarettentyp beugt sich wieder über die Papiere, sucht angespannt irgend etwas, blättert durch Computerausdrucklisten, der andere auch.

Schmidt sieht zu Henrik hin.

Schmidt weiss, dass der Neue gerade in einer Verzweiflungsphase ist, und einfach nur zurück ans Telefon gesteuert werden muss. Wie der Kaffeepreis ist, ist vollständig egal

Henrik berührt versehentlich den Computerbildschirm auf dem Tisch, der daraufhin auseinander fällt – innen ist er leer, nur eine Attrappe.

Schmidt: Jammer hier nich´ rum!

Der Zigarettentyp schubst Henrik mit ausgestrecktem Arm beiseite, wie man einen bettelnden Hund vom Tisch wegstößt, wenn man schon total die Geduld verloren hat.

Glasklares eiskaltes Hierarchiesignal.

Weißt …was…hau ab!….

Man versteht nicht, was der Zigarettentyp sagt, aber es ist klar, daß er hier im vollen Bewußtsein seiner Hierarchieposition einen Underdog wegbeißt. Einen Underdog, der seine Rolle übertritt, seinen Bewegungsfreiraum bei weitem überschreitet.

Während er Henrik wegschubst, macht er sich nicht einmal die Mühe ihn anzusehen.

Kaum ist Henrik weitergegangen..:

Da isses ja…

Er hat in den Listen gefunden, was die drei gesucht hatten.

Dieser Moment zeigt Henrik zu ersten Mal, welcher Wind hier weht. Anfänger sind Untermenschen ohne Fragerecht und Streifrevier. Er ist kein Kollege, kein Mensch, er ist eine Brosche.

Die Szene zeigt auch, daß Höherstehende in diesem Rudel die Unteren ganz offen wegtreten dürfen.
Hartes Geschäft, harte Regeln, hartes Verhalten. Oben und unten. Ein virtueller Fausthieb, der ihm zeigt, wo hier bei der Rimko GmbH der Hammer hängt.

Ende der Szene.

1995-1996 Heino Ferch (im Alter von ca. 31/32) – der gegeelte Zigarettentyp (Weber) , Henrik Wedekind – Jürgen Vogel Filmografie Jürgen Vogel Schmidt – Wolf-Dietrich Sprenger Filmografie Wolf-Dietrich Sprenger (spielte die Rolle des Pressefotografen in Der Tunnel), Jo Rimkeit – Gregor Törcz

Die DVD ist seit März 2009 bei amazon.de erhältlich->

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