Filmszenen I „…das mit mir und meiner Frau: – Statistik.“ in: Mord am Meer. Teil 1b. Heino Ferch als Anton Glauberg. 2004-2005

…das mit mir und meiner Frau: – Statistik.“ in: Mord am Meer. Teil 1b. Heino Ferch als Anton Glauberg. Fortsetzung , Regie: Matti Geschonneck, Buch: Thomas Kirchner nach Roman von Ulrich Woelk, TV-Film, ZDF, 2004-2005

Bildquelle und alle Bildrechte bei Network Movie Köln für ZDF Zweites Deutsches Fernsehen

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Die Szene

Vor dem Tatort im Freien

Close up Glauberg.


Foto Glauberg und Gnaatz

Glauberg und der Pastor wechseln zum Abschluss noch einige Worte vor dem Hause Jacobis. Der Pastor ist ein hoch gewachsener, durchtrainiert und maskulin wirkender Mann, Charaktergesicht.

Pastor Gnaatz:

Herr Jacobi war kein Mitglied meiner Gemeinde. Jedenfalls habe ich ihn in meiner Kirche nie gesehen.

..lächelt verbindlich: …wie ich auch Sie lange nicht begrüßen durfte.

Glauberg im very close up ‚…er bestätigt mit einem winzigen Nicken die Aussage des Pastors

‚…ich hatte auch eher meine Frau begleitet.

Glauberg blickt in die Weite, zum Horizont, weg. Seinen Worten hallt ein kaum merkliches Nicken nach. Jetzt ändert es seine Wirkung fast in den Hauch eines Ausdrucks, wie man ihn von alten Menschen kennt, die ihren Kopf im einem Moment der Schwäche nicht mehr ganz ruhig halten können,- der Kopf gibt mit einer mikroskopischen Bewegung im Nacken ein ganz klein wenig nach.

Der Pastor lächelt weiter, bemerkt Glaubergs Zustand nicht.

Die Kirche ergreift in solchen Fällen keine Partei.

Glauberg, etwas verärgert,

..was heißt´n hier in solch´n Fällen?

deutet mit einer Kopfdrehung zum Haus, und sagt, belegt, behaucht, leise:

Das da drin is´n Fall.

Die Kamera blickt Glauberg jetzt, als er direkt an das Verhältnis zu seiner Frau erinnert wird, im Very Close Up ins Gesicht, eigentlich ins Herz. Glauberg denkt an sie. Plötzlich wirkt sein Gesicht abgehärmt. Foto Glauberg

Die Augen zusammengezogen, er sieht ins Licht. Die Züge um die oberen Wangenpartie, um die Kinnlinie wirken wie die eines abgearbeiteten und gealterten Menschen. Am Hals Spuren eines Ausdrucks, der geschwächt erscheint.

Glaubergs Züge sind zwar die eines Vierzigjährigen. Um das Kinn ist jedoch plötzlich Etwas, das den Eindruck erweckt: dieser Mann ist auch achtzig, nicht nur vierzig. Durch sein Gesicht hindurch scheint wie ein Palimpsest ein Schädel, der wirkt, wie der Kopf eines Menschen, der an einem Ort war, wo es nur Arbeit, schwerste Arbeit und Tränen gab. Straflager, ein Zwangsarbeitslager. Jetzt, in diesem Moment, scheint er wie ausgezehrt von zu langer quälender Anstrengung.

Dieser Mann schaut nicht in die Zukunft, er ist auch nicht verbittert über die Vergangenheit, nicht verbohrt. Unter den Augen liegt keinerlei Verbissenheit.

Kein Zorn zeichnet sich ab, weder gegenwärtig noch vergangen.

Ein Gefühl schwingt mit wie: Zehntausend Kilometer zu Fuß gegangen bis zur Erschöpfung. Ermattet nach langer zermürbender Aufgabe. Es ist keine Bitternis in der Mimik, eher fatalistisches Sich-Ergeben.

Ein Eindruck glimmt auf, als wären Tausende von Tränen geweint und wieder getrocknet, leergeweint.

Er blickt wieder ins Nichts, zum Horizont, sagt:

Das mit meiner Frau und mir…, das ist

Die Stimme gleitet ins Tonlose:

Mein Gott….-

– Statistik.

Ende der Szene.

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2004-2005 Heino Ferch – Anton Glauberg, Birge Schade – Sylvia Glauberg Filmografie Birge Schade, Pastor Gnaatz – Thomas Sarbacher Agentur-Homepage Thomas Sarbacher, Jürgen Stahnke – Hans Wolgast/Jacobi, Regie Matti Geschonneck Filmografie Matti Geschonneck,

Buch Thomas Kirchner Homepage Thomas Kirchner

Kommentar zum Film, (ausgezeichnet mit dem TV-Produzenten-Preis, dem Hauptpreis des Fernsehfilm-Wettbewerbs, auf dem FILMFEST HAMBURG 2004) und Foto Glauberg Artikel AZ

Über den Regisseur Matti Geschonneck

Kommentar :

Das geradezu Unheimliche an Ferchs Arbeit ist, dass sie immer noch immer besser wird, auch nach achtzehn Jahren ist keine Abflachung der learning curve zu spüren, ferch´sche Stilmittel sind mit atemberaubender Finesse und Virtuosität, Feinheit, Durchlässigkeit und einem Reichtum an Kombinationen von feinst modulierten Ausdrucksvarianten umgesetzt.
Die Figur ist derartig dreidimensional, plastisch, tief, dass wir ihre Gefühle, Sorgen, Ängste, die sie gar nicht ausspricht, bis ins Herz geschossen bekommen. Mimik und Ausstrahlung der Figur tragen sie uns entgegen, so intensiv, dass es manchmal schwer ist, als Zuschauer überhaupt Stand zu halten.

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