Evolutionäre Ästhetik und Architektur: Böden

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Der Versuch, die ästhetische Wahrnehmung des Menschen kategorisch-historisch zu begründen, lenkt den Blick auf die genuine Umgebung des homo sapiens, wie sie Jahrhunderttausende des Menschen Umfeld vor Bildung von Stadträumen darstellte.

Geht man davon aus, dass die Strukturen derjenigen Umgebung, die der Mensch als Lebensraum über Jahrhunderttausende wahrnahm, genetisch oder/und zentral zerebral (Stammhirn, Kleinhirn) mit der damit verbundenen Erfahrung bezüglich lebensfreundlich / lebensfeindlich im Laufe seiner biologischen Entwicklung, seiner Evolution, verbunden wurden, ist eine Korrelation von „Struktur sichtbar bei lebensfreundlichen Umgebungsparametern“ oder „Struktur sichtbar bei lebensfeindlichen Umgebungsparametern“ und den subjektiven Begriffen „schön, gut“ bzw. „häßlich, schlecht“ wahrscheinlich.

Definiert man den Begriff des Ästhetischen als die Wahrnehmung und Bewertung einer Umgebungsstruktur als „schön, angenehm, harmonisch, gut“ , enthüllt der Blick auf die historische Dimension, die evolutionäre Dimension, den Wirkmechanismus der menschlichen Wahrnehmung positiv bewerteter Strukturen der Lebensumgebung.

Schön ist dann die Ableitung von „lebensfreundlich“,“häßlich“ der Überbegriff von Strukturen, die potenziell lebensfeindliche Umgebungsstrukturen repräsentieren, darstellen.

Hierzu kommt ausserdem die „Erinnerung“, die kollektiv verankerte Erinnerung an die Strukturen der Lebensumgebung „Wald“.

Unbewußt und grundsätzlich versuchen die Menschen, Strukturen des Waldes – und der Flora (Ornamentik) – in ihre artifizierte Umgebung, also die Stadt, die künstlich hergestellte Lebensumgebung, zu übersetzen, zu transponieren.

Betrachten wir den Boden eines Laubwaldes im Herbst, sehen wir, dass er völlig mit Blättern bedeckt ist.

Die Blätter am Boden bilden eine bestimmte Struktur, ein Muster, eine Matrix.

Diese Struktur kann als evolutionsästhetisch fixierte Struktur, die positiv bewertet wird, benannt werden, wenn wir uns fragen: warum empfinden wir Bodenstrukturen wie Mosaike oder Kopfsteinpflaster-Strukturen als ästhetisch ansprechend, glatte, – asphaltierte, betonierte – weitläufige Bodenstrukturen jedoch als häßlich, abstoßend?

Obige Bilderfolge zeigt die Struktur von Blättern, die den Boden bedecken. Vergleicht man diese Struktur mit Pflasterstrukturen ist die Ähnlichkeit selbstredend:

Altstädte werden gerne touristisch besucht, man findet sie „irgenwie schön, anheimelnd, pittoresk“ ästhetisch angenehm. Grundsätzlich finden wir in diesen Bereichen gepflasterte Böden.

Sie ergänzen den Eindruck von „pittoresk, angenehm“ (obwohl sie fahrtechnisch für moderne Automobile problematisch sind), sie sind – visuell gesehen  – nichts anderes als artifizierte Verkörperungen von Waldböden, die mit herbstlichen Blättern bedeckt sind.

Je kleiner die Pflastersteine sind – wie z.B auf den Gehsteigen in Freiburg im Breisgau – desto positiver , stärker ist unsere ästhetische Wahrnehmung als „schön“ . Die ästhetisch am positivsten bewertete Größe ist die – eines Blattes, etwa in der Größe eines Buchenblattes.

Die evolutionär begründete Konnotation der leuchtenden Blätter auf dunklerem Grund ist das Vorbild für das heller farbige Ornament auf dunklerem Untergrund/Hintergrund.

Leuchtende Farben werden mit „Leben“ assoziiert, schwächen sich die Farben ab, deutet das auf ein Fortschreiten des Lebensverlusts.

Beispiel: Boden mit älteren Blättern. Ältere Blätter, schwächere Farben sagen: der Herbst ist fortgeschritten, die Temperaturen werden sehr bald sinken, mit anderen Worten: die Umgebungsparameter werden lebensfeindlicher.

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So erstaunt es nicht, wenn unsere Wahrnehmung – evolutionsästhetisch begründet – die schwachfarbigen Blätter – Ornamente, Muster auf Grund – ästhetisch weniger stark positiv bewertet, als die Blätter, die noch stark farbig leuchtend den ganzen Boden in goldgelbe Farben tauchen

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Die glatte – hierzulande meist asphaltierte – Bodenstruktur wird, nach evolutionsästhetischen Kategorien betrachtet – als ästhetisch negativ wahrgenommen. Glatte weite Bodenstrukturen bedeuteten in den Jahrhunderttausenden der biologischen Entwicklung des homo sapiens meist nur eines: Wüste nach Naturkatastrophen.

 

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oben: asphaltierte weite Fläche

Glatt, unbewachsen, grau, waren Böden nur z.B. nach Waldbränden, die alles Leben vernichtet hatten. Die graue Glätte ruft alludierend unbewußt diese evolutionsbiologisch festgelegten Bewertungskriterien in uns auf. Grau, glatt, weit: hier fehlt die lebensunterstützende Flora. Potenziell ist das also ein lebensfeindlicher Bereich. Übertragen in ästhetische Kategorien ruft diese Struktur Ablehnung, Negativbewertung hervor.

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oben: Boden nach Waldbrand,  unten: Boden nach Überflutung.

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Meist ist es die Umgangssprache, die die unbewußte Allusion versprachlicht und verdeutlicht. Hier ist es das Wort für lebensfeindlich wahrgenommene graue glatte Flächen: Betonwüste. Beton (grau, glatt) – Wüste (lebensfeindlicher Bereich).

Andrea-Maria Glaser M.A.,  24. November 2019

 

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