Filmszenen I …ich versteh´ das nich´was geht da vor?…in: Das Wunder von Berlin. Teil 2. Heino Ferch – Oberstleutnant Jürgen Kaiser. Regie: Roland Suso Richter 2007-2008

Teaser Film Das Wunder von Berlin. Heino Ferch - Jürgen Kaiser 2007-08

Bildquelle und alle Bildrechte bei www.teamworx.de für ZDF

…ich versteh´ das nich´ was geht da vor?…in: Das Wunder von Berlin. Teil 2. Heino Ferch – Oberstleutnant Jürgen Kaiser. Regie: Roland Suso Richter 2007-2008

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Die Szene.

Ein Büro.

Schreibtisch. Wir blicken einem Mann im grauen Anzug über die Schulter. Die Nähte des Anzugs sind nicht korrekt gesetzt. Die Jacke steht im Nacken ab. Die Ärmel wurden offensichtlich ausgelassen. Die Bügelfalte der vorher kürzeren Ärmel umläuft sein Handgelenk.

Vor ihm ein Telefon mit mehreren Reihen Kurzwahltasten, Gegensprechanlage im kantigen Design der siebziger Jahre. Wir sehen ein Stück Parkettboden, darauf in der Zimmermitte ein heller Teppich.

Der Mann studiert durch seine Brille mit brauem Plastikgestell – Hornimitat – eine offensichtlich häufig gebrauchte Liste, deren Seiten in Klarsichthüllen eingesteckt sind.

Wir hören eine Frauenstimme aus der Sprechanlage:

Genosse Oberstleutnant? Die Genossin Niemann von der Ha Vau eins ist hier.

Schnitt.

Halbtotale. Wir sehen mehr.

Trübe, trübe. Genosse Honegger im Bilderrahmen, der Blick aus dem Fenster zeigt weiße Backsteinmauern. Zimmergröße: fünf Schritte von Wand zu Wand, halbhohe braune Wandverkleidung aus furnierten Spanplatten.

Der Mann, sehen wir jetzt, ist Jürgen Kaiser. Er beugt sich vor, erhebt sich bei seiner Antwort schon halb aus dem Sitz, als er den Knopf der Gegensprechanlage drückt. Sehr wohlgelaunt:

Ja. Soll reinkomm´.

Er steht rasch auf.

Hinter der Tür schulterhoch ein weißer Panzerschrank, abgegriffen zerkratzt.

Kaiser versucht sein Schrittgeräusch zu dämpfen, als er schnell zum Schrank geht, die Tür öffnet. Wir können mit ihm in den Schrank sehen: Fachböden voller West-Spirituosen. Jim Beam, Campari, Whisky und… das sehen wir nicht genau. Er nimmt eine Flasche aus dem Schrank und drückt ihn leise wieder zu.

Im selben Moment öffnet sich die billige Sperrholz-Bürotür und…

..eine verdammt gut aussehende Frau Mitte Dreissig kommt herein.

Sie erwartet Kaiser am Tisch zu sehen. Kaiser tritt aus seiner Position hinter der Tür auf sie zu. Sie erschrickt ein wenig, schließt langsam die Tür. Sie ist nicht nur sehr hübsch, sie trägt auch Kleidung, die wohl kaum in der DDR zu kaufen ist. Ein tailliertes „amerikanophiles“ Jeanskleid mit breitem Bandeau-Ledergürtel.

Kaiser freut sich. Marion ist seine Kollegin und Geliebte. Er schiebt sich an sie heran, lässt seine Körperlichkeit spielen, lächelt mit sehr männlicher Aura und raunt ihr zu:

Ich hab´ wat für Dich.

Marion nimmt die Aufforderung zum Mann-Frau Spiel nicht an:

Ick ooch.

Awa det wird dia nich jefalln.

Sie geht zur Couch, setzt sich. Kaiser schaltet den Tarzan in sich ab. Gibt ihr aber noch, was er hinter seinem Rücken in der Hand hält. Eigentlich hatte er die Flasche wohl präsentieren wollen und sich auf ihren überraschten Dank gefreut.

Er sieht ein bisschen verstört, beflissen und verloren aus, als er sich beeilt, die Flasche Chanel No. 5 jetzt auf den Couchtisch zu stellen.

Er setzt sich neben Marion auf die Armlehne der Couch, legt die Hände brav übereinander.

Marion lächelt ihn an. Das war schon das Dankeschön. Parfum hatte sie sich gewünscht und quasi indirekt bei ihm bestellt. Ein Herr, nein ein Geliebter, hat seine Freundin mit Geschenken zu verwöhnen. Immer schön daran denken, meine Herrn.

Marion greift das goldene Tischfeuerzeug und eine Zigarette.

Kaiser – ganz beflissener Gentleman – nimmt ihr das Feuerzeug aus der Hand. Seine Hand berührt die ihre, als er die Flamme aufspringen läßt. Er hält ihr das Feuerzeug hin. Das goldene Gliederband seiner Westuhr glänzt am Handgelenk.

Kaiser berührt Marion zwar nicht weiter, aber wir erspüren, dass er ihren intimen Körperabstand durchbricht, um sie seine Körperlichkeit fühlen zu lassen. Vielleicht bekommt sie ja Lust.

Marion:

Diese Anja hat ´ne Akte.

Er dreht sich weg, richtet sich auf. Anheizen ist vergessen. Frustiert:

Na das war ja zu erwarten.

Er steht auf, geht zum Fenster:

Mein Sohn lässt sich immer mit den falschen Leuten ein, das ist doch zum Kotzen.

Kaiser nah. Frustriert. Besorgt. Er dreht sich zu Marion:

Is sie O.V.?

Wir blicken mit ihm zu Marion. Sie fühlt sich offensichtlich sicher und wohl, hat ein Bein übergeschlagen. Ihr Rock ist zwar midi, aber ein schwarzer kniehoher Lederstiefel blitzt darunter hervor und macht es unserer Phantasie recht leicht, ihre Beine für kilometerlang zu halten.

Marion:

Ick hap die Akte nich jesehn, ick hap nua mit dem Aktenführa jesprochn.

Ick sach Dia nich wer et is, aba die Akte wird rejelmässich jesäubat.

Dea wees aba ooch nich, wea da die schützende Hand voahält.

Kaiser wieder nah. Er denkt. Pause. Dann, leise:

Warum macht die sich an mein Sohn ran?

Marion entknotet ihre Anita-Ekberg-La-dolce-vita -Beine, steht auf. Jetzt hat sie doch noch Lust bekommen. Sie tritt von hinten an Kaiser heran, schmiegt eine Hand auf seine Schulter und stützt ihr Kinn darauf:

Dat wees ick nich`

Wie hoch Kaisers ängstliche Spannung war, wird klar, als er explodiert. Er zischt sie böse an:

Dann krieg´s raus!

Böser Fehler. Marions Gesichtsausdruck zeigt ihre augenblickliche Distanzierung. Sie lässt ihn los. Ohne Wut oder Weinerlichkeit, sachlich:

Das Wunder von Berlin Jürgen Kaiser und seine Kollegin Marion Niemann (Heino Ferch Gesine Cukrowski)

Bildquelle und alle Bildrechte bei www.teamworx.de für ZDF

Ick bin nich mea Deine Untergebne.

Sie wendet sich schnell ab, drückt ihre Zigarette aus und geht zur Tür. So nicht, mein Herr. So nicht.

Kaiser hechtet ihr hinterher. Es tut ihm leid. Er hält sie vorsichtig am Ellbogen zurück, dreht sie zu sich.

Marion entschuldige bitte.

Es tut mir leid, ich bin..

Wir sehen, dass er verstört ist, sein Blick fasst keinen festen Punkt. Er atmet hörbar.

Ich bin heute etwas nervös.

Jetzt reißt er sich zusammen, das Ganze noch mal in sachlicher Form:

Warum sollte jemand einen Vorgang frisieren wollen, den man nur innerhalb des Ministeriums abfragen kann?

Dazu braucht man Decknamen..

..Anträge in der Registratur, ich….

…versteh das nich´ was geht da vor?

Marion, versöhnlich, sie scheint ihn am Arm zu knuddelpuffen:

Ick bleib´dran.

Will die Tür öffnen, um zu gehen.

Kaiser:

Marion?

Sie bleibt, sieht ihn an.

Kaiser nah. Sehr besorgt, ängstlich fast, mit intensivem Ernst:

Dank Dir.

Marion geht.

Schnitt.

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2007-2008 Heino Ferch (im Alter von 44) – Genosse Oberstleutnant Jürgen Kaiser, Gesine Cukrowski – Oberleutnant Marion Niemann, Kaisers Geliebte in der Hauptabteilung I der Staatssicherheitsbehörde der Deutschen Demokratischen Republik

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Gesine Cukrowski unterstützt http://www.stiftung-findelbaby.de

Personality-Interview mit Gesine Cukrowski->

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Kommentar 1:

Zuschauerquote des Films->

Kommentar :

(s.a. „Deutschlandlied“ Buch: Peter Märthesheimer, Regie: Tom Toelle. Szene: Nylons. Hanno geht zu einem Möbelstück, entnimmt ihm ein Geschenk, versteckt es hinter seinem Rücken und freut sich darauf, dass Lisa, seine Geliebte, sich gleich freuen wird.

Lisa hatte sich vorher so ein Luxusgut gewünscht. Es gibt eine Verstimmung durch ein zweites Thema. Hanno geht ein wenig verstört und verloren zu Lisa und setzt sich neben sie.

Er berührt sie nicht fordernd, aber körperliche Nähe ist Thema.

Gibt ihr das Geschenk ,dessen Übergabe jetzt im Moment der ÜBergabe nicht mehr so große Freude ausgelöst, wie er hoffte.

Hier identische Szenenstruktur mit den Eckpunkten, vorher gewünschtes Luxusgut-Geschenk, Freude auslösen mißglückt, er geht zu ihr hin, wirkt verloren, setzt sich neben sie, sie nimmt das Geschenk nicht so frontal an wie erhofft. Er berührt Marion nicht eindeutig, aber läßt sie seine Nähe spüren.

Dieses Szenenfragment ist ein komplexes Gespinst mit vielen Teilschritten. Es ist höchst unwahrscheinlich, das es RSR am Set so eingefallen ist, zumal es so, genau so, schon seit 10 Jahren existiert. Undzwar im Kopf eines der Anwesenden am Set. In dem Kopf, der die Szene hier so genau so umgesetzt hat.

Wieso auch nich? Warum nich eine gut funktionierende Szenenstruktur nicht einfach mit dem neuen Inhalt kombinieren, füllen. Einmal gut, zweimal gut. RSR wiederholt m.E. in Wunder die komplette dramaturgische Konstruktion von Der Tunnel. Warum auch nich? Ein guter Bauplan is n guter Bauplan.)

16.3.2008

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