Filmszenen I “…Do it, Gens!“ Heino Ferch als Jakob Gens in: Ghetto. Teil 4. Germany Lithuania 2004-2006

Teaser Film Ghetto. Heino Ferch - Jacob Gens.

Bildquelle und alle Bildrechte bei Stardust-Filmverleih

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“…Do it, Gens!“ Heino Ferch als Jakob Gens in: Ghetto. Teil 4. Regie Audrius Juzenas, Buch: Josuah Sobol, Germany Lithuania 2004-2006

Do it, Gens!

Der voll besetzte Theatersaal.

Der Vorhang geht auf.

Mitten auf der Bühne vor dem Chor steht Kittel im grauen Wehrmacht-Offiziersmantel; Stiefel, Schirmmütze, Koppel, die rotweissschwarze Armbinde mit dem Hakenkreuz am Oberarm.

In der Hand hält er ein Feldherrnstöckchen oder einen Dirigentenstab.

Gens in der ersten Publikumsreihe erschrickt, wirft Dessler neben sich einen fragenden Blick zu. Dessler zuckt die Schultern, schüttelt den Kopf. Er weiss nicht, was das bedeutet.

Kittel:

Gens, your people complain that the theatre is not good enough. Let´s give them the real thing.

Come to the stage!

Kittel fordert Gens mit einer Bewegung des Dirigentenstabes auf, näher zu kommen.

Gens zögert, geht dann los, ein schneller Blick fragt schweigend seine Leute neben sich – keine Reaktion….

Jetzt steht er am Bühnenrand.

Vordergründig ist sein Gesichtsausdruck, seine Miene, noch gefasst. Besorgtheit und angstvolle Anspannung kriechen aus den Schattenbereichen des Gesichts zusehends in die Augen, die Wangen, erfassen die Brauen.

Schnitt.

Wir blicken über Gens´ Schulter auf die Bühne.

Kittel markiert den Märchenerzähler:

Once upon a time a man and a women got married and they had one child.

Have they increased their race?

Schnitt ins Publikum, die Menschen sehen sich fragend an.

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Das kleine Mädchen mit dem Stoffbären meldet sich, sie hebt den Arm wie in der Schule.

Kittel dreht sich zu ihr hin, ein gütiger Lehrer. Yesson?

Die Kleine: No, they haven´t incleased. (increased)

…come here. Die Kleine kommt willig und brav zu Kittel hin, der jetzt wie ein guter Onkel zwischen Knabe und Kind steht und beiden die Hände auf die Schultern legt.

Excellent. Kittel ist warmherzig, fröhlich.

Er nimmt seine Rolle als Erzähler wieder auf

A few years later they had a second child. Have they..

Schnitt auf auf Gens.

..increased? Gens´ Augen weiten sich, er scheint plötzlich erschrocken, dann lässt den Kopf sinken.

Wir verstehen, das ist der Moment, in dem er begreift, was Kittel vorhat. Im nächsten Augenblick fasst er sich, bereit für Argumentation. Er blickt wieder hoch, auf Kittels böses Spiel, angeekelt, widerwillig.

Kittel Have they finally increased their race?

Kittel dreht sich zum Chor. Dort meldet sich ein etwa zwölfjähriger Junge. Kittel nimmt die Wortmeldung an:

You there?

Der Junge: Two parents, two children. They have not increased.

Come here. Ok. Jetzt hat Kittel drei Kinder um sich geschart.

And now. Three children.

Wieder wendet er sich nach dem Chor um. Ein Mädchen meldet sich:

They have increased.

Kittel Right.

Schnitt auf Gens, er blickt noch immer hoch zu Bühne.

Gens´ Blick ist jetzt entschlossen, fest, als hätte er den Willen einzuschreiten, er steht unruhig, in Startposition. Er scheint zu glauben, dass er gegen dieses Spiel noch irgendetwas ausrichten kann.

Schnitt. Die Bühne.

Das Mädchen kommt aus der Chorreihe herab zu Kittel.

Der pädagogische Aufbau der Lektion, die Kittel vorführt, ist lehrbuchreif.

That´s true, children. They have.. increased.

Kittel kommt mit den Kindern zum Bühnenrand, wendet sich an Gens.

Now, we have a problem, Gens.

If the Führer ordered to stop propagation of the race, than the third child is…ahhmm..

Kittel dreht sich pseudo-nachdenklich zur Seite..

Jetzt ist der Moment gekommen. Gens versucht es.

Das Mittel der Sprache muss Kittel beeinflussen, Gens will reden, Kittel wegreden von seinem Plan.

Er steht direkt unter dem Diktator, seine Augen auf Kniehöhe des Herrn über Leben und Tod.

Mister Kittel!.. To be….

Weiter kommt er nicht. Kittel fällt ihm ins Wort.

..or not to be! That´s the question!.. that´s right!

Ergänzt Kittel sarkastisch mit der ersten Zeile des shakespear´schen Hamlet-Monologes Gens´ begonnenen Satz.

Gens´ reagiert mit einem gequälten Lächeln.
Sein kurzer Blick zur Seite sagt uns, er hält das, was hier vorgeführt wird, für ganz und gar irrsinning, inakzeptabel. Gleichzeitig entrutscht ihm mit diesem Blick zur Seite ein körpersprachlicher Ausdruck, der uns deutlich mitteilt, dass er Kittel am liebsten ohrfeigen möchte.

Kittel

Well, now let´s get on with it. The selection of the third child.

Kittel ist bester Laune. Er lächelt, lacht.

One father, one mother, one child – and two.

The third is…ahmmm..

Nachdenken… gespieltes Bedauern von Kittel…Pause, damit seine Strategie im Publikum ganz zur Wirkung kommen kann.

Dann schnippt Kittel die Finger.

Schergen rennen auf die Bühne und packen Kinder. Die Ergriffenen schreien gellend auf. Die anderen bleiben unbeweglich an ihren Plätzen stehen.

Schnitt.

Blick ins Publikum.

Frauen schlagen die Hände vor´s Gesicht. Unruhe. Füße trampeln. Wir sehen es nicht, aber scheinbar versuchen Menschen, das Theater zu verlassen. Gens wirkt entsetzt, starr. Das Schreien der Kinder wird leiser. Sie sind draussen.

Kittel tritt vor Gens, steht hoch über ihm. Er hält ihm den Dirigentenstab hin, Gens soll ihn nehmen.

Gens steht unbeweglich, starrt geradeaus. Jetzt hebt er langsam den Kopf.

Wir sehen, er kann nicht glauben, was ihm angetragen wird. Sein Zögern ist ein letztes Aufzucken der Weigerung, das tödlich Ekelhafte mitzumachen, das Mörderspiel mitzuspielen. Vergeblich. Mit dem Dirigentenstab muss er die Direktion dieser Aktion übernehmen.

Kittel:

Do it, Gens!

Gens nimmt endlich den Stab. Sein Blick huscht weg. Hierhin, dorthin. Nein. Kein Ausweg. Er erstarrt, sieht mehr und mehr aus, als fühle er sich auf einem eisernen Stab gepfählt.

Die Kamera steht jetzt hinter ihm. Wir blicken über seine Schulter mit ihm zusammen auf das kleine Mädchen mit dem Bären. Es steht im Profil, es weiss nichts.

Gens weiss, dass er sie töten lassen muss, dass er ihr Mörder sein wird.

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Audio.mp3

2004-2006 Heino Ferch – Jakob Gens, Sebastian Hülk – Kittel, Erika Maroszan – Die Sängerin Haya, Jörk Lamprecht – Dessler, Vytautas Sapranauskas – Weisskopf, die ganz exzellente Musik(dramaturige), die sehr viel zur eindrucksvollen Wirkung des Films beiträgt, ist von: Anatolijus Senderovas.


(Kommentar zum Hamlet-Monolog: In m.E. drei Projekten Ferch´s werden Aspekte des Monologes thematisiert: 1. „Spiel um Dein Leben“, Schluss-Szene (Aspekt: ..verschmäh´ter Liebe Pein das Herzweh und die Tausend Stöße ende.., 2. „Julius Caesar“, Kerkerszene, Aspekt: Denn wer ertrüg der Zeiten Spott und Geißel, Des Mächt´gen Druck, (…) des Rechtes Aufschub,…“ 3. Ghetto: Aspekt: Denn wer ertrüg Des Mächt´gen Druck, des Stolzen Misshandlungen, des Rechtes Aufschub, Den Übermut der Ämter und die Schmach, Die Unwert schweigenden Verdienst erweist…“)

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