Editorial zum 85.000 Besucher (14.1.2007)

Editorial zum 85.000 Besucher (14.1.2007)

Laut Anormal-Tracker, der gemeinsam mit dem Blogigo-Tracker startete, aber besucherfreundlicher zählt, haben wir die 85T überschritten.

Zum 85.000 Besucher.

Langsam langsam hebt sich der Bodennebel und uns will scheinen, wir erkennen die Umrisse eines größeren Ganzen: dieses Weblog hier erhebt (neben den bereits erwähnten Motivationen) wahrscheinlich mehr und mehr den Anspruch, Figuren aus Projekten eines Darstellers so schrittgenau zu betrachten, dass durch die Beobachtung der Figuren, ihrer Motivationen und Handlungen ein Gesamtbild eines künstlerischen Lebenswerks entsteht.

Ein Gesamtbild macht Motivationen deutlich, Hauptthemen, Intentionen, beantwortet die Frage: Welche gemeinsamen Botschaften tragen die Figuren immer wieder an uns heran?

Botschaften, die sich wiederholen, die in mehreren Figuren sichtbar sind sind z.B.:
Sein – oder Nichtsein?,
Siehe – ein Mensch.
Vertrauen und Vertrauensbruch,
die Gleichzeitigkeit von Nähe und Unerreichbarkeit.

Wir hören schon die mit leiser Ironie gestellte Frage unseres guten alten Gymnasial-Kunsterziehers (Theo ich grüße Dich!!) :

Was will das Bild uns sagen?

Genau. Was will das Gesamtbild uns sagen?

Figur-Emotion-Qualität:

Wir sind der Auffassung, dass die emotionale Verfassung des Rollenträgers zu einem bestimmten Zeitpunkt geradezu alternativlos die Auswahl der Rollen, ihr Avers, ihr Gesicht, steuert. (im vorliegenden Fall,der u.E. etwas anders gelagert ist, als üblich ) Das Revers, die Rückseite der Medaille: der Rollenträger kann der Figur kann diese Hauptemotion in atemberaubender Präzision und Dreidimensionalität Leben einhauchen.

Schauspielkunst – Therapie?

Damit beantwortet sich auch die leidige Frage: sind die Figuren eine Art Therapie für den Darsteller?
Diese Frage zäumt das Pferd vom Schweife her auf. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Die emotionale Verfassung des Darstellers begünstigt das eine oder andere Thema. Emotion wird Kunst.

Wenn der Darsteller Figuren verkörpert, deren Themen nah an seiner aktuellen Lebenserfahrung stehen, ist durch emotionale Erinnerung präzise detaillierte Wahrhaftigkeit möglich.
Wahrhaftigkeit, der Anker für unsere Emotion, die Emotionen der Zuschauer.

Versuchen Sie nur einmal ein Pferd über eine Hürde zu bringen, wenn Sie nicht wirklich, wirklich über diese Hürde wollen.
Sie können alles, absolut alles technisch richtig machen- wenn Sie Angst haben und deshalb im Innersten nicht WIRKLICH WOLLEN, wird Ihr Pferd verweigern oder die Hürde reissen.
Das andere Wesen, mit dem Sie verbunden sind, reagiert auf die Wahrhaftigkeit Ihrer Emotion.

So ist das auch mit der Darstellungskunst im Film.
Wenn der Darsteller wirklich, wirklich „drin“ ist, dann nimmt er uns mit, dann springen wir mit in die Emotion. Dann verweigern nicht, verweigern die Identifikation nicht. Wir lachen und wir weinen mit ihm, wir sehen durch seine Augen, fühlen, was er fühlt, ja, wir denken was er denkt.

Themen im Gesamtwerk:

Wir sind – wie bereits an anderer Stelle erläutert – der Auffassung, dass in unserem Fall Themen von Filmen miteinander ergänzend und kommentierend in Verbindung stehen.
Filmthemen späterer Jahre ergänzen oder kommentieren Figurenthemen früherer Jahre. Übrigens ist derselbe Phänomen auch bei Ulrich Mühe (und wahrscheinlich bei tausend anderen) zu beobachten – siehe Staatsfunktionär (Staatssekretär) in Straight Shooter und Staatsfunktionar (Hauptmann HGW XX/7
-Spitzel ) in Das Leben der Anderen.

Genremäßig in völlig anderen Welten angesiedelt, sind die beiden Figuren Bretz und Athos geradezu Derselbe, -einmal jünger, einmal älter, gereifter- in Bezug auf ein ganz bestimmtes Thema, das in beiden Filmen im Mittelpunkt des Fühlens und Denkens der Figur steht.

Die Figuren dieses Film-Universums kennen über die Jahre, Räume und Settings hinweg bestimmte Themen, die sie artikulieren, kommentieren und fortschreiben. Rahmen und Master dieses gemeinsamen Wissens ist der Rollenträger.

Anspruch:

Wie auch sonst (in der Bildenden Kunst, in der belletristischen Literatur) üblich, bewegen sich die Rollen vom Individualschicksal und früher Figuren der neunziger Jahre hin zu Themen, die zwar am Individualschicksal exemplifiziert werden, jedoch den vividen Anspruch erheben, episch erzählend und so Zuschauerinteresse wach haltend,- Umstände und Themen in größerer Überschau zu besprechen, die alle angehen,
die menschliche Gemeinschaft, die Nation, den Staat, die Politik.

Politische Themen, brisante Themen, in Erzählform gegossen.

Schwierigen, aber wichtigen Themen, nimmt das Mittel der spannenden Filmerzählung die Trockenheit einer Schulaufgabensituation.

Diese Themen häufen sich im aktuell reifen Werk.

Straight Shooter weist in vielem auf dieses Prinzip voraus.

Straight Shooter ist zwar ein Action Film, aber er ist „zwischen den Zeilen“ ein deutlicher Kommentar zu den Auswirkungen von Parteilobbyismus, von „Staatsräson“, er hinterfragt kritisch z.B. grundsätzliche Vorgehensweisen von Politikern, besonders klar in der Rolle des Staatssekretärs (Ulrich Mühe).

Was bedauernd zu kommentieren bleibt, ist: der Film bleibt vom breiten Publikum unverstanden.

Wir hier bei Filmszenen haben zwei Jahre lang nur Teile der Bedeutung des Films realisiert.

Erst im Zusammenhang mit „Die Drei Musketiere“ und „Das Leben der Anderen“ waren wir bereit, den Film etwas tiefer zu befragen.

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Väter:

Väter: Volker Bretz - Dr. Michael Mühlhausen

Volker Bretz und seine Tochter ( im Herzen),
Dr. Michael Mühlhausen und seine Tochter ( am Herzen).


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