Filmszenen I „Steig´ ein oder ich fahr´!“ in: Winterschläfer. Teil 6b Marco ( Heino Ferch ) Regie: Tom Tykwer. 1996-1997

Teaser Film "Winterschlaefer" Regie: Tom Tykwer. Heino Ferch - Marco.

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„Steig´ ein oder ich fahr´!“ in: Winterschläfer. Teil 6b Marco ( Heino Ferch ) Regie: Tom Tykwer. Buch: Anne-Françoise Pyszora, Tom Tykwer 1996-1997


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Weiter geschieht nichts.

Die Sekunden, die Minuten verstreichen. Da sitzen beide, unbeweglich, jeder an seinem Platz.

Sie sehen einander an, aber nichts geht mehr voran. Keiner weiß einen Weg, die Spalte zu überspringen, die Kluft zu überbrücken, keiner von beiden weiß, was zu sagen wäre, um aus den Einzelzellen ihrer Befindlichkeit wieder in einen gemeinsamen Raum zurückzukehren.

Lichtwechsel, das erste Tageslicht, es wird schnell heller, es ist Tag. Zeitliche Überblendung.

Die Kameraposition bleibt unverändert, die beiden Körper sind von der Sitz- in die Liegeposition überblendet.

Sie sind offensichtlich so lange schweigend und ungetröstet sitzen geblieben, bis der Schlaf sie wegtrug aus der traurigen Situation.

– Sitzen, körperlich weit voneinander distanziert sitzen -,

Schweigen – ,

sich Ansehen –

Da muß nur noch Zeit vergehen. Ihr bloßes Verrinnen trennt die Beiden, Minute nach Minute, immer mehr.

Jede verhockte, verschwiegene Minute ist kein Erhalten des Status Quo. Es ist ein Voneinander unwiederbringlich wegdriften, wie auf zwei Booten in einem Fluß.

Nur Worte und Gesten hätten noch Verbindungen erzeugen können. Die Beiden sind dazu nicht mehr im Stande.


„Es“ ist da.

Die Quersumme aus allem heißt: „Es“.

„Es“ ist das unüberwindbar Trennende, die Logik, die sie in zwei verschiedene Richtungen, zwei Wege zerrt, drängt. Die Logik aller Rechenoperationen des Spiels nennt die Endsumme:

Null.

Aus.


Marcos Armbanduhrwecker piepst.

Er wacht auf, nur er.
Setzt sich auf, sieht noch ein paar Sekunden zu Rebecca hinüber und nimmt seine Jacke vom Tisch, bewegt sich vorsichtig langsam,, um keine Geräusche zu erzeugen.

Er will weg, ohne Becki zu wecken. Jetzt soll doch nicht noch Weinen, Schreien, lautes Leiden entstehen.

Eine Bodendiele knarzt. Das Geräusch friert ihn sofort ein. Er wartet. Becki ist nicht erwacht. Er geht weiter, öffnet leise die Tür und geht.

Schnitt.

Marco und seine Skischülerin in der Gondel hinauf zum Gletscher.
Er hat unlängst mit dem Mädchen geschlafen. Der Teenager sieht zum Fenster hinaus, ihm zugewandt. Marco brütet traurig vor sich hin, ganz abwesend. Er sieht nichts, fühlt nichts, Er sieht deprimiert aus.

Das Mädchen holt ihn in die Gegenwart :

Was denkst Du?

Marco entdeckt sie, entdeckt sich in der Gondel, entdeckt die Gegenwart.

Er blickt sie freundlich und aufmerksam an. – Gott ja – das ist ja das Mädchen. Sie lächelt ihr Jungmädchenlächeln.

Seine Antwort ist ohne Text. Er streicht ihr, – einer Augenblickseingebung folgend – eine Strähne Haar aus der Stirn und sieht sie weiter freundlich und aufmerksam an, so als entdecke er überrascht und erfreut eine angenehme Gegenwart.

Die sanfte Geste, mit der er ihre Stirn berührte, war sein letzter Körperkontakt mit einem Menschen.

Die gemeinsame Gletscherfahrt endet in einer Nebelbank. Marco übersieht die Abbruchkante und gleitet über sie hinweg in seinen Tod.


Während er stürzt, sehen wir Becki. Sie hat sich eine Zigarette angezündet.

Close up auf ihre Lippen. Sie atmen den weißen Rauch aus, der Rauch entgleitet ihrem Mund wie ein sichtbar gemachter Lebenshauch.

Becki reist ab, ohne Marco noch einmal wiedergesehen zu haben.

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1996-97 Heino Ferch – Marco Skilehrer, Floriane Daniel – Rebecca „Becki“, Marie-Lou Sellem – Laura, Ulrich Matthes – René

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Kommentar 1: s.a. „Der Anwalt und sein Gast“ Trennungs- und Schlußszene und „Deutschlandlied“ Szene „Nylons“

Kommentar : Gletscherspalte: Denken wir daran, dass auch die weiblichen äußeren Geschlechtsorgane „Spalte“ genannt werden. Durch diese „Spalte“ kommt jeder Mensch ins Leben. In diese „Spalte“ hier symbolisiert durch die gigantische (Gletscher)spalte der Mutter Erde verschwindet Marco wieder in seiner Mutter (Erde).

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