Filmszenen I Marginalien I zum Schliemann-Film

Schliemann und Sophia im Grünen

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Bildquelle und Bildrechte SAT.1 /Stephan Rabold

Schliemann – Troja Teil 1

Nachtrag: Schliemann kauft Sophia. Finden wir eigenartig, heute. Früher war das für die Familie der Frau eine sogenannte „gute Partie“. Es war wünschenswert, die Tochter einem reichen einflußreichen Mann zu geben. Es galt als ihr Glück. Bei Schliemann, der sich ganz auf die Ilias konzentrierte, war der Kauf einer Frau auch als ganz persönlicher Bezug auf die Ilias ganz normal, ja sogar, empfehlens- und nachahmenswert. Ilias, erster Gesang, Zeile 12 – 14

Denn er kam zu den rüstigen Schiffen Achaias,
Frei zu kaufen die Tochter, und bracht‘ unendliche Lösung,
Tragend den Lorbeerschmuck des treffenden Phöbos Apollon

Unsere Meinung? Montag Nacht. Wir sind gerade bei Minute 1 Std:16 .
Da wir nicht im Besitz eines Fernsehgeräts sind, sehen wir eine PC-Videokonserve des Films an.
Wir machen mit Absicht Pausen, um das Vergnügen noch ein wenig in die Länge zu ziehen.

Theo? Ist noch nicht aufgetaucht.

Trotzdem: große Freude, großes Vergnügen, gelacht und geheult und wieder gelacht.
Wunderschön erzählt, spritzige Dialoge, zum Weinen schöne Bildkompositionen, die Musik tatsächlich auf große Strecken durchkomponiert, fast wie eine Konzertsinfonie, aber kein überbordender Bombast im Sinne von Klangbrei, sondern -ebenso, wie die perfekt klassisch komponierten Bilder ein Spaziergang durch die Geschichte der abendländischen Malerei ab 17. Jh. (Vermeer, Hoogstraaten, Francesco Guardi, Caravaggio, Rembrandt, Piazzetta, Landschaften wie Poussin, Millet, Lorrain…) sind,- hübsche Anklänge aus der Musikgeschichte.

Nachtrag Jan 2008: Wir haben uns nochmal nur die Tonspur angehört. Eigentlich sind die ersten 30 Minuten des Films ein sinfonisches Konzert, das mit Text-Rezitativen und märchenhaften Bildern illustriert ist. Die Musik ist der Star. Sprache und Bilder garnieren ein sinfonisches Konzert…is so. Es ist definitiv kein Film mit Filmmusik. Es ist Musik mit Filmbildern und Sprech-Rezitativen.

In der Hochzeits-Szene in der Kirche Anklänge an Haydn, in den Szenen mit den Quellen Anklänge an Smetanas Moldau, zuerst „die Quelle der Moldau“, später „der Strom in Prag“. Ansonsten ähnlich Filmmusik von „Napoléon“.

Die ersten Szenen von Schliemann und Sophie in freier grüner Natur (Bild 1 , Vergleichsbild ) erinnern uns an des Oscar-preisekrönten Film „Zimmer mit Aussicht “ – A room with a view , (Trailer 56 kb von uns jahrelang heiss geliebt und tausendmal angesehen…Der Reverend über Lucy: „…If Miss Honeychurch, – ever takes to live as she playes Beethoven – it will be very exciting!!“) und Schliemann in Cut und Bowler an den steifleinernen von Lucys Familie ausgesuchten Verlobten Cecil Vyse („

Cecil: up to now I have never kissed you…! Lucy: No you didn´t. Cecil: May I now?

Cecil Vyse in: A Room With A View

/ Cecil (eifersüchtig): ….Some chaps are for no good than for books. I confess to be such a chap!“) (Cecil – Daniel Day Lewis). Julian Sands, der dort den Freund von Miss Lucy Honeychurch spielt, hat mit Ferch in „Napoléon“ (Fürst Metternich) gespielt.

Nachtrag:

In der Szene, in der Sophia den Brief liest, mit dem Schliemann sie wieder freigibt, erklingen m.E. im Hintergrund die ersten Töne einer Mozartarie, deren Text lautet:

Voi avete un cor´ fedele. zu Deutsch:

Du hast ein treues Herz.
Die zweite Zeile der Arie würde lauten: Come amante apassionato. – Als leidenschaftlich Liebender.

– Hach, schön. wieso? Man muss das zusammenlesen: Schliemann gibt die Frau frei, WEIL er ein treues leidenschaftlich liebendes Herz hat. (s.a. Luftbrücke Dr. Kielberg-Louise)

Dieses Musikalische Motiv hören wir zum ersten Mal im Film in der Hochzeitsszene. Bischof Vimpos traut Schliemann und Sophie. Auch hier würde der Text gut passen: Voi avete und cor´ fedele…(Weiter: Sei mio sposo dichiarato , dichiarato… : Du bist mein mir offiziell Angetrauter…)

(Woran machen wir unsere Behauptung fest, dass es Töne dieser Arie sind? Es ist doch nur ein kurzes Klangmotiv! Wir erkennen die Arie deshalb sofort, weil die Orchestrierung, also die Wahl der Instrumente und die Führung der zweiten und dritten Stimmen dieses musikalischen Motives dieselbe ist wie im Mozart´schen Original. Wir erkennen also sozusagen die Farben dieses Klangbildes wieder. )

Der Griff in die Bluebox hat Landschaftsbilder von Poussin´scher Größe hervorgezaubert. Der Dreimaster im Hafen erinnert natürlich sofort an die Dar Mloziezy.

Lustige Reminiszenen an alte Vorbilder, der Sprung auf´s Pferd beim Überfall auf die Kutsche- im bezogenen Vorbild sagt in der entsprechenden Szene des anderen Films der Protagonist trocken (– auch dort geht es um einen Überfall auf einen Wagen mit Pferden in gespiegelter Rollenverteilung-): – „Is´ gut für die Bauchmuskeln!„. solche Bezüge wiederzuerkennen sind Spezialvergnügen. s.a. Terencehill.com->-> Unterpunkt Photos – This and That. HOW TO MOUNT A HORSE WITH STYLE. (In case you want to start practising: you need a western saddle or a trick riding saddle (Bildquelle: Pegasus 6/2007, S. 25) with a saddle knob.) (und hier Frau Ignaz HOW TO MOUNT A HORSE WITH OUT STYLE ->->)

Die Figurenentwicklung der männlichen Hauptfigur finden wir sehr gelungen- zuerst ist die Figur ein wenig verschroben, karikiert, ja in ihrer Verkrampfung und Steifheit muss sie belächelt werden – und , ohne dass wir richtig bemerken wie und wann, (das Zurückweichen des Karikaturistischen beginnt eigentlich in dem Gespräch von Mann zu Mann zwischen Schliemann und Yannakis in der Kneipe) beginnen wir sie immer ernster zu nehmen, für sie zu sein. Shadowing heißt diese Erzähltechnik, wenn wir uns recht erinnern.


Eine Geschichte wird erzählt.

Episches Erzählkino muss uns viele Fakten vermitteln, ohne langatmig zu werden, Tempo halten, ohne durchzupreschen. Ist m.E. gelungen. Die Dialoge funktionieren – köstlich der immer wieder – hoppla!- leise nadelstichelnde Sarkasmus der Hauptfigur – typisch Skorpion!–!

Stilistisch wird nicht ins oberste Fach „großer“ Figurenschilderung gegriffen, nein, der Stil ist anfangs eher liebevolle Miniaturmalerei, Feinmalerei, nah an den Figuren und immer mit einem Augenzwinkern. Melanie Doutey mit ihrer französischen Gesten- und Blicksprache wirkt frisch, erfrischend.

Nachtrag:
Korrektur: Melanie Doutey spielt nicht nur erfrischend, sondern superklasse schön, wunderbar authentisch und stereotypfrei. (gleiches gilt für ihre deutsche Synchronstimme, leider not credited.
Sie behauptet sich
neben Ferchs brillant präziser Aussprache und dem Farbreichtum seiner Intonation )
Ihre Rolle muss die Liebesgeschichte im Film über Strecken hin fast allein tragen und sie macht das bravourös . So ein Glück!!!

Wenn diese Rolle, also Schliemanns Frau, fehlbesetzt gewesen wäre, wäre das der totale Super-GAU für das Resumeé des dreistündigen Film-Abenteuers gewesen.
Warum?

Die Schluss-Szene auf der Bühne
vor den vielen Zuschauern in Berlin gibt dem Film die Bedeutung einer Hommage eines Mannes an diese, seine, Ehefrau. An dieser Stelle müssen wir als Zuseher mit ganzem Herzen „ja, Recht hat er, dreimal Recht“ sagen können.
Und das können wir. Wir können es sagen, weil wir den Charakter dieser Frau durch Melanie Douteys hervorragende schauspielerische Kreation in den letzten drei Stunden ernsthaft zu schätzen gelernt haben.

So viel für´s erste. Wir gucken weiter. (Mutti, wo sind die Erdnüsse? )

Quote: 5,37 Millionen Zuschauer (= 16,2 % Marktanteil) für beide Teile zusammen.

26.3.2007

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