Evolutionäre Ästhetik und Architektur: Gebäudefassaden: Sonnenlicht

Die-Sonne-im-Blaetterdach.jpgs.a.: https://de.wikipedia.org/wiki/Evolution%C3%A4re_%C3%84sthetik#Kunsttheorie_der_evolutionären_Ästhetik

Blickrichtung, mehrschichtige Strukturiertheit, die Wahrnehmung von hell als „vorne, nach vorne kommend, näher am Betrachter“ und dunkel als „hinten, nach hinten abfallend, im Hintergrund“ oder als dunkles Loch, als beunruhigendes höhlenartiges Loch, entscheidet über die evolutionsästhetisch bedingten Wahrnehmungen, über die Wahrnehmung als „schön“ oder als „beunruhigend“, als „häßlich“ oder als „bedrohlich“.

Grundsätzlich wird kleinteilig zusammengesetzter Rapport mit vom völligen, monotonen Gleichmass leicht abweichenden Varianten als angenehm empfunden. (Blätterwald in der Natur -> z.B. Mosaik in der Kunst, Backsteinfassade am Gebäude). Ebendiese Strukturen finden sich im Wald,- Bäume, Blätterdach, kleinteilige Blattwände und dazwischen aufstrebende hohe vertikale Elemente (die Baumstämme) haben das ästhetische Empfinden des Menschen in Jahrhunderttausenden geprägt.

Wiederholen sich derartige Strukturen im Wandaufbau von Hausfassaden, werden sie unbewusst als „schön“ als „angenehm“ bewertet: der Mensch fühlt sich in Beziehung zu auf diese Weise strukturierten Fassaden wohl.

Ein wichtiges wahrnehmungsästhetisches Phänomen im Wald ist das Hindurchblitzen von Sonnenlicht-Punkten im sich bewegenden Blätterwald und Blätterdach, vor allem in Kombination mit der Blickrichtung nach oben. Die Blätter der Bäume bewegen sich im Wind, das erzeugt ein Hindurchblitzen, ein Aufleuchten von Sonnenlicht-Punkten, Sonnenlicht- Strahlen im Blätterdach.

Die Kombintation aus Licht und diesem Aufblitzen von Sonnenlicht-Punkten beim Blick nach oben ist evlutionsästhetisch zu der Bewertung „schön“ weil „gut“ verschmolzen, übertragen aus der Wahrnehmung, dass dieses Aufblitzen nur bei Sonnenwetter, also gutem Wetter, entsteht.

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Betrachten wir ornamentierte Hausfassaden des 18. und 19. Jahrhunderts mit ihrer floralen Ornamentik, so bemerken wir,  ist die Fassade nur mit Farben gefasst, eine Art trockener Unbelebtheit: Der Fassade fehlt ein letztes Element, um sie zum Leben zu „erwecken“ , um sie ästhetisch auf ein befriedigendes Niveau zu erheben.

Leider verstärken moderne Dispersionsfarben die Stumpfheit der farbigen Fassung, da die trockene Dispersonsfarbe Licht “ schluckt“ und so Formen visuell, optisch, abstumpft, breiig, optisch chaotisierend aufweicht.

Das 18. Jh. nutzte punktuell angebrachte Goldhöhungen an wenigen Stellen der ornamentierten Fassade,  – weniger weiter unten, wo sich der Blick noch nicht so stark hebt, mehr Vergoldungen, je höher sich der Blick heben muss – um die Fassade mit diesen golden leuchtenden, blinkenden Akzenten zum „Leben“ zu „erwecken“.

Evolutionsästhetisch betrachtet, alludieren diese goldenen Punkte im oberen Fassadenbereich an das durch die kleinteiligen Blätterwände hindurchbrechende Sonnenlicht.

Da die Blätter sich bewegen, blinkt und blitzt das Licht punktuell durch das Blätterdach – diesen Effekt erzeugen die Vergoldungen an Rokokofassaden. Wichtig ist die punktuelle Akzentuierung des Ornaments durch kleine Vergoldungen. Flächige Vergoldung erhöht nicht den ästhetischen Reiz, sind Ornamente ganz und gar vergoldet, bieten sie dem Auge keinen Halt mehr, sie wirken dann chaotisch, breiig im Detail nicht mehr identifizierbar, also optisch unbefriedigend.

Dies hängt auch damit zusammen, dass die Goldakzente das lichte Blinken im Blätterdach alludieren müssen, um aus evlutionsästhetischer Sicht ihre positiv empfundene Wirkung zu erzielen.

Goldene Akzente, goldenes Blinken und Leuchten wirkt auf den Betrachter immer, stärker noch als helle Farben als „nah“, so körperlos nah, dass der Betrachter keine Distanz schätzen könnte. Akzentuiert ein goldener Punkt im Ornament eine konvexe Ornamentform so unterstreicht dieser „Nah“effekt die Wirkung der Akzentuierung durch Gold.

Heute, im ersten Jahrzehnt des 21. Jh.s , nach der Erfindung der kostengünstigen LED-Leuchtkörper, betritt der Effekt der Lichtblitze als ornamentale Aussage an Fassaden sozusagen durch die Hintertür wieder die Gestaltung von Fassaden, die Belebung von Fassaden durch Licht.

Diese erneute Würdigung von Ornament am Fassadenkörper geschieht nunmehr nachts, durch Lichteffekte. Tagsüber wird weiterhin offiziell Ornament als gestaltendes Element negiert, durch farbliche Homogenität mit dem Fassadengrung mimetisch „versteckt“ ganz im Sinne der post-bauhaus  „Neuen Sachlichkeit“ und ihrer These „Ornament ist Verbrechen“. (Adolf Loos)

oben: Oberpollinger München, Bayerische Börse, Lenbachplatz, Dach Stadtmuseum Jakobsplatz, Showroom Mercedes-Benz, Marsstrasse.

Andrea-Maria Glaser M.A.

02.11.2019

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