Filmszenen I „…willst´n Kaffee?“ Heino Ferch als Anton Glauberg in: Mord am Meer. Teil 2, 2004-2005

„…willst´n Kaffee?“ Heino Ferch als Anton Glauberg in: Mord am Meer. Glaubergs Familie Teil 2, Regie: Matti Geschonneck, Buch: Thomas Kirchner nach Roman von Ulrich Woelk, TV-Film, ZDF, 2004-2005

Bildquelle und alle Bildrechte bei Network Movie Köln für ZDF Zweites Deutsches Fernsehen

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Willst´n Kaffee?

Szene bei Glaubergs zu Hause.

Eine idyllische Dorfstraße mit roten Backsteinhäuschen. Ein Mittelklassewagen fährt um die Kurve auf uns zu.

Schnitt.

Wir sind einen Meter vor einer Hausfassade, es ist die Gartenflanke eines der Häuser, die die Straße säumen. Wir stehen vor einem Fenster zum Garten an der Hausecke, direkt am Gartenzaun. Das Haus ist ein rotes Backsteinhäuschen wie auch alle anderen in der Straße.Weiße Fensterkreuze mit Sprossen, Blumenkasten auf der Fensterbank, Carl Larsson-Idyll.

An der Hauskante gleitet eine sich öffnende Autotür ins Bild. Ein Mann kommt dazu, schließt die Tür: Anton Glauberg.

Die Kamera fährt auf die Straße hinaus, wir sehen jetzt Glaubergs Wagen und ihn selbst zur Gänze. Er geht auf die Haustür zu, klingelt. An der weißen Tür im Landhausstil hängt ein Kränzchen mit roter Schleife

Wir stehen einen Schritt hinter Glauberg.

Links neben der Tür ein großes Namensschild.

Anton Sylvia Felix
Glauberg

selbst getöpfert, Zeuge vergangenen Friedens.

Glauberg wartet, steckt die Hände in die Taschen. Sylvia, seine Exfrau, öffnet. Sie hatte ihn erwartet. Rote Bluse, sympathische Erscheinung. Grußlos. Sagt gleich:

er trödelt. Wie immer.

Von ihrer Seite keine Gefühle. Keine Freude, keine Ablehnung, kein Schmerz, keine Ressentiments.. Emotionen eingefroren auf dem Status Quo.

Sie geht nach drinnen, ruft nach ihrer beider Sohn Felix. Läßt Glauberg stehen.

Der ruft ihr nach einer Sekunde gestreßten Zögerns ins Hausinnere nach.

Darf ich drinnen warten?

Glaubergs Gesicht ist verschlossen, extrem verkrampft.

Schnitt

Wir stehen hinter Glauberg draussen, in seinem Rücken.

Close up nur Kopf und Schultern. Wir sehen ihn hineingehen. Er schließt die Tür. Wir bleiben draußen. Unser letzter Blick fällt auf die idyllische Haustür mit dem Kränzchen.

Schnitt. Innenraum.

Landhausidyll auch drinnen. Die Einrichtung atmet weiblichen Geist, ist offensichtlich von Frauenhand zusammengestellt, gestaltet. Durchblick auf eine kleine Diele mit Holzkommode, sorgfältig symmetrisch arrangiert, stilllebenhaft. Rotes offenes Gebälk, sehr sorgfältig restauriert. Alles in Ordnung, Geordnetheit.

Glauberg bleibt in der Küche innen am geschlossenen Flügel der Doppelflügeltür zur Küche stehen. Die Türen sind mit Glaseinlagen kassettiert, schöne Handwerksarbeit mit geschwungenen Stegen und einem verspielten Storchenmotiv, wieder Zeuge eines vergangenen Idylls. Hier war eine Familie aufgebaut worden.

Felix auf der Treppe. Er lauscht, er hat seinen Vater gehört. Glauberg ruft nach oben:

Nimm Deine Gummistiefel mit!

Sylvia: Gehst Du mit ihm ins Watt? Dann paß auf, daß er seinen Schal umhat!

Wir dürfen näher treten. Unserem Blick bietet sich landhäusliches ‚Schöner Wohnen’. Durch die Glaseinlage des geschlossenen Türflügels sehen wir Glaubergs Rücken.

Noch ´ne Krankschreibung kann ich mir nicht leisten, dieses Jahr.

Ja, ich paß´auf. Sagt er, klein, leise, trocken.

Kamerafahrt: Jetzt treten auch wir in den Raum ein, in dem sich das Paar befindet.

Blick in die Küche. Neu, weiß, Einbauküche rustikal, alles schön und perfekt aufgeräumt.

Sylvia sitzt in der Mitte am Tisch und trinkt ihren Kaffee. Sie gibt ihm etwas mehr Rechte:

Willst´n Kaffee?

Schnitt.

Wir stehen hinter Sylvia und sehen Glauberg jetzt zum ersten Mal von vorne in seinem ehemaligen Haus.

Er steht da, direkt an der Tür, mit verschränkten Armen. Wie, um sich aufzuräumen, nicht zu sehr in dieser Ordnung zu stören, auf dem Sprung, sozusagen – gehe ja gleich wieder, bin nur ungewollt Gast für ein paar Warteminuten – .

Ihre Frage beantwortet er mit einem Nicken.

Danke.

Er macht ein paar Schritte zum Hängeschrank, öffnet die Tür. Seine Kaffeetasse stand immer dort. Er findet sie nicht. Blickt überrascht in den Schrank, sieht die Tasse nicht. Öffnet den zweiten Türflügel. Auch da nicht.

Sylvia im off

Dein Kaffeepott ist mit anderen anderen Sachen in der Garage.

Wäre schön , wenn Du das alles mal abholen könntest….

Close up auf Glaubergs Gesicht. Ganz im Profil. Das Close up dringt tief in seine psychische Disposition ein.

Der Mund öffnet sich einen Spalt. Wir sehen es nicht, können aber den Geräuschen entnehmen, daß er irgendeine Tasse aus dem Schrank nimmt.

Wir beobachten ihn dabei, wie er versucht, den Status Quo, mit dem Sylvia ihn gerade konfrontiert – Weg mit Deinen Spuren! – zu verarbeiten.

Es ist die Phase der Trennung, in der Gegenstände im Lebensbereich des Expartners gelassen werden, um Anknüpfungspunkte für letzte Kontaktversuche zu haben. Sylvia mit ihrer Bitte, seine Sachen abzuholen, schiebt ihn soeben aus ihrem Leben klar hinaus.

Er lauscht ihren Worten, sieht weiter in den Schrank. Sein Gesichtsausdruck ist trotz äußerer Unbewegtheit, ja fast Glätte, innerlich aufgewühlt.

Wir sehen nur seinen Kopf vor dem weißen Hintergrund des Küchenschranks.
Zuerst sieht er suchend in den Schrank, als er ihre Worte hört, sinkt sein Blick ab, der Mund ist immer noch einen Spalt geöffnet.
Seine Hantierungen sind unauffällig, die seelische Haltung dabei ist zwar nach außen geschlossen, ja fast verschlossen. Gleichzeitig fühlen wir seine innere, geradezu atemlose Schockiertheit.

Unter den Augen auf den Wangen liegt ein Ausdruck, wie man ihn nach dem Weinen hat, wenn die Wangen noch verquollen sind. Er wirkt verweint.

Als der das Wort „Garage“ hört, saugt er Luft ein.

Ihre Worte treffen ihn offensichtlich wie Keulenhiebe. Seine Augenpartie wirkt so resigniert traurig, daß es ganz gut ist, daß sie ihn nicht von vorn sehen kann. Wir fühlen keine Härte in seiner Resignation, keine sich hart machende Verbitterung.

Seine Exfrau hat abgeschlossen, er nicht, er ist ins Mark getroffen.

Als er sich wegdreht, den Kopf senkt, die Tür des Schrankes schließt, – alles normale Verrichtungen im Zusammenhang mit der Kaffeetasse – , beginnt ihn etwas zu umwehen, wie ein Beenden, eine innere Vereinzelung, Vereinsamung.

Das Schließen der Schranktür, das Senken des Kopfes, alles sagt: Ende
Ende
Ende.

Felix hat auf der Treppe gelauscht. Er spürt und weiss genau, was die Eltern fühlen.

Glauberg fragt jetzt ohne Übergang seine Frau nach dem Pastor aus. (Sylvia kennt ihn ja näher.) Dabei wird klar, dass Glauberg in der Beziehung seiner Frau gegenüber sehr verschlossen war, nie was erzählt hat und Sylvia gar nicht weiß, was Anton bewegt.

Als Glauberg dann mit seinem Sohn im Auto sitzt, um ins Watt zu fahren, ist im Dialog mit seinem Kind sein Gesicht zum ersten, letzten und einzigen Mal entspannt. Er sieht aus, wie ein ganz anderer Mann. Die extrem gefolterte Verspannung ist verschwunden. So war er also früher.

Die gestreßte Spannung nimmt statt dessen das Kind auf. Es agiert mit Spielzeugfiguren, die es kämpfen läßt, seine aggressive und angstvolle Spannung aus.

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2004-2005 – Heino Ferch – Anton Glauberg, Birge Schade – Sylvia Glauberg

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