Filmszenen I „..ich hab´an Dich gedacht….“ in: Winterschläfer. Teil 4, Porträt Marco. ( Heino Ferch ) 1997

Teaser Film "Winterschlaefer" Regie: Tom Tykwer. Heino Ferch - Marco.

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„..ich hab´an Dich gedacht, die Tage….“ in: Winterschläfer Teil 4, Porträt Marco. ( Heino Ferch ) Regie: Tom Tykwer. Buch: Anne-Françoise Pyszora, Tom Tykwer 1996-1997


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„..ich hab´an Dich gedacht, die Tage…“
Audio.wma (Text exkl. Dialog und Sprecher: ignazwrobel)

Rebecca ist furchtbar traurig wegen Oma. René, der zufällig im Berghaus ist, weil er auf Laura wartet, muss sie trösten. Was kann er auch anderes tun, als sie so völlig zusammenbricht.

Marco ist jetzt nicht da.

René ist da.

Er ist ein eher ruhiger Typ, anders als Marco ganz ohne prominenten Sexappeal.

Älter als die beiden, im großen Ganzen in sich ruhend. Unaggressiv, freundlich, fürsorglich, lebt in einem viel langsameren Takt als Marco.

Er hat. Er kann geben, denn er hat.

Marco will haben, er kann nichts geben, er ist innerlich mittellos.

René sitzt gerade an Beckis Liege, als Marco zurückkommt.

Der ist sofort eifersüchtig. René geht weg, Kaffee machen, er gibt den Platz an Rebeccas Seite frei. Marco nimmt jetzt diesen Platz an der Liege ein.

Als Becki weint:

Mutter war wirklich knallhart, die hat sofort alles verkauft, das Haus, und das Grundstück ..

fällt ihm keine andere Antwort ein als:

….für wieviel denn?

Er meint das nicht böse, aber er ist unfähig, seine Freundin zu trösten. Rebecca ist konsterniert, sie erkennt seine Unfähigkeit, sieht ihn einen Moment lang fassungslos an. Als ihr klar geworden ist, dass Marco nicht kann, gibt sie ihm eine sachliche Antwort.

Ich weiß nich, Marco. Teuer.

Wendet sich ab, weint leise und allein weiter.

Marco spürt, dass da etwas ist, was er tun, was er jetzt bringen sollte, was er aber nicht bringen kann.

Er rutscht unruhig auf seinem Platz hin und her, wendet sich auch ein wenig ab und sieht halt- und bodenlos ratlos aus.

Fürchterlich.

Wir fühlen durch seinen Blick, wie sein Inneres sucht, einen Haltepunkt in der inneren Haltlosigkeit sucht, wieder wirft er einen so ne Scheiße Blick an die Decke.

Er möchte weit weg sein, die Situation nicht erleben müssen.

Er ist so unglaublich unfähig, seiner Freundin beizustehen, ihr auch nur irgendeine tröstende Geste zu geben.

Er sitzt jetzt ganz abgewendet von ihr. Das einzige, was er schafft, ist ein:

Ich hab an Dich gedacht, die Tage.

Aber dann gleich wieder die fordernde Frage, ob sie auch:

Du nicht?

Gott sei Dank kommt René mit dem Kaffee, er kann geben, z.B. eine Tasse Kaffee und Becki lächeln machen.

Neben René´s Fülle sitzt Marco abgeschlagen, eingekapselt, sieht zu Boden. Sein Blick ist immer und immer wieder ratlos, suchend, Halt suchend, ohne Verankerung, ohne die Antwort, die er ständig und ständig hören will:

dass er, er, er, liebenswert ist.

Wenn ein anderer etwas braucht, versagt er, sogar bei seiner Freundin. Er schweift immer wieder in einen abgekapselten Raum ab, getunnelt, abgespalten.

René geht wieder nach Hause. Laura kam nicht.

Marco Ihr geht noch wohin?

Becki Ja, zu der Party im Sleepers. Kommst Du nich´ mit?

Marco Ne, ich muss noch aufräumen bei Gerd.

Er brütet schon wieder.

Becki Ja, kommst Du nach?

Marco, in schon völlig beleidigtem Ton, knetet seine Hände, unruhig, presst die Lippen zusammen. Beleidigt:

Ja, wenn Du willst. ..aber vielleicht willst Du aber lieber mit René alleine sein.

Jetzt ist es Rebecca, die genervt zur Decke schauen muss.

Er ist anstrengend.

Sprachlosigkeit zwischen beiden. Jeder in seinem eigenen Raum.

Pause.

Ende der Szene.

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1996-1997 Heino Ferch (im Alter von 33) – Marco Skilehrer, Floriane Daniel – Rebecca, Marie-Lou Sellem – Laura

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Kommentar:

Marco, an der Oberfläche glänzend und anziehend, ist leider eine tragische Figur.

Die Tragik ist versteckt, verdeckt, unsichtbar zunächst.

Sie liegt in seinem seelischen Innenraum. Dort ist es isoliert einsam, kalt und dunkel, dort fehlt etwas, Wärme, Licht, Fülle, etwas, das ihn hätte nähren können, damit er nähren kann.

Er wird seine Erfüllung, seinen Tod in einer Gletscherspalte finden, die aussieht, wie der Geburtskanal, durch den er in die Welt trat.

Er wird durch diesen Kanal dorthin zurückkehren, woher er kam, in den Bauch der Mutter, die hier die Mutter Erde ist.

Vielleicht gibt es Wiedergeburt. Vielleicht hat dann sein Ich, seine Seele, eine neue Chance, vielleicht wird es einen neuen Versuch geben, bei einem „nochmal“.

Der Film deutet dies an, einen Moment nach Marco´s Tod hören wir das Krähen eines neugeborenen Baby´s. Tod und (Wieder-)geburt.
Audio.wma (Text exkl. Dialog und Sprecher: ignazwrobel)

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Homepage Tom Tykwer Thema Winterschläfer

Interview mit Tom Tykwer über den Film Winterschläfer

Tom Tykwer über das Deutsche Kino

Zitat Tom Tykwer über Marco/Heino Ferch:

„Marco finde ich deshalb aufregend, weil er der Zerrissenste von allen ist. [..] Man sieht, er hat eine Sehnsucht, aber er kriegt sie nicht formuliert. Heino Ferch schafft es, daß diese Figur immer noch mit einem Augenzwinkern dasteht, selbstwenn sie sich wie der letzte Idiot benimmt. So bleibt er lange jemand, dem man immer wieder alles verzeiht. An solchen Leuten hängt einfach mein Herz. „

Frage: Aber die Figur des Marco zu besetzen, war das nicht sehr schwierig?

Tom Tykwer: Und ob es das war. Heino Ferch war tatsächlich der Allerletzte, der an Bord kam, denn nur er brachte genau das mit, was für Marco Unverzichtbar ist: eine Ironie im Ausdruck, damit die totale Egozentrik dieser Figur immer wieder irgendwie vergeblich bleibt.

Er hat ja auch etwas Gewinnendes als Pendant zu diesen antiphysischen, sich selbst verzehrenden Figuren, die der Film ja auch hat.

Mir war zum Beispiel extrem wichtig, daß Marco Humor hat, zumal ich die Erfahrung gemacht habe, daß gerade solche Typen wirklich extrem witzig sein können. Wenn man jetzt jemanden besetzt hätte, der daraus so einen ernsthaft existentialistischen Charakter gemacht hätte, wäre die Figur schrecklich abgerutscht.

Heino ist eben einer, der immer die leichtere, die spaßigere Variante anbietet, der immer fragt, ob man das nicht etwas entschärfen kann. Was genau richtig ist – als Regisseur mußte ich nur darauf achten, daß die Substanz nicht verlorengeht.“

„Das ist tragisch: daß er [Marco Skilehrer] gewinnend ist und doch verliert.“

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