Filmszenen I „..ich bin kein Nazi, ich bin bloß Deutscher!“ in: Deutschlandlied. Porträt Hanno Schmidbauer ( Heino Ferch ) , Teil 1, 1995-96.

Teaser Film Deutschlandlied

Bildquelle Homepage Katja von Garnier, Bildrechte bei ZDF und TV 60 München

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Nachruf Tom Toelle, verstorben am 26.3.2006

„..ich bin kein Nazi, ich bin bloß Deutscher!“ in: Deutschlandlied. Porträt Hanno Schmidbauer ( Heino Ferch ) , Teil 1, Regie Tom Toelle, Drehbuch: Tom Toelle, Peter Märthesheimer. TV-Film in drei Teilen, 1995-96.

„Deutschlandlied“ beschreibt exemplarisch das Leben in einer fiktiven Kleinstadt in Deutschland namens Königsbruck unter den Amerikanern ab Kriegsende – über einen Zeitraum von ungefähr drei Jahren hinweg.

Der Zuschauer verfolgt die Schicksale unterschiedlicher Menschen verschiedenen Alters, überzeugter Nazis, Mitläufer, Antifaschisten.

Wir in „Filmszenen“ treten an die Seite des jungen Schreinermeisters Hanno Schmidbauer. Hanno ist círca sechsundzwanzig. Er liebt Lisa, die Frau seines ca. fünf Jahre älteren Bruders Theo, der an der Ostfront verschollen ist. Lisa hat einen dreijährigen Sohn von Theo, Robertchen, genannt Robbie.

Bilder zum Film

Vor der Szene:

Die Amerikaner internieren zunächst alle ehemals unter dem Hitler-Regime organisierten Männer in Lagern, um überzeugte Nazis, Mitläufer und Nicht-Faschisten benennen und für die nachfolgende Entnazifizierung voneinander trennen zu können.

Hanno wird ebenfalls von der Straße weg gepackt und auf einen Wagen verfrachtet; er wehrt sich lauthals, schreit die Amerikanischen Soldaten an:

Ich nix Nazi, ich war im Volkssturm, ich war im Widerstand!
Ich will nicht ins Lager!

Ich bin kein Nazi! Ich bin bloß Deutscher!

Lisa muss aus der Entfernung entsetzt zusehen, wie Hanno abtranportiert wird.wochenlang erfährt sie nichts.

Die Szene

„….Lisa!“

Hanno steht auf der Straße vor der Werkstatt, er ist endlich aus dem Lager heimgekehrt. Überall Schuttberge, man hört unentwegt Steineklopfen. Der Mörtel wird entfernt, damit die Steine erneut verbaut werden können. Hinter Hanno ein großes Werkstattschild an der Hauswand. Schreinerei Schmidbauer steht darauf.

Hanno steht unschlüssig da. Grünes Hemd, grüne Militärjacke, mit weißer Farbe befleckt, schmutzig, Hosen in weißbefleckten Schnürstiefeln, ein Pappkarton unter dem Arm. Er schaut suchend herum. Oben im ersten Stock übt ein Mann im Unterhemd Saxophon. Jetzt beugt er sich aus dem Fenster:


Suchen Sie jemand?

Hanno antwortet nicht.

Er geht quer durchs Bild von der Werkstatt zur Haustür auf der anderen Seite hinüber.

Wir haben Hanno zwar schon vorher gesehen, jetzt allerdings dringt zum ersten Mal unübersehbar eine Tatsache in unser Bewußtsein: Hanno hinkt.

Sein Gang ist breit, jeder zweite Schritt bricht ein, er fängt seinen Körper in leichter Rücklage auf, was in seinem Schulterbereich eine Seitwärtsbewegung auslöst, wo keine sein sollte. Sein Fuß wirkt steif, auch im Fußgelenk.

Hanno hinkt nicht aufgrund einer temporären Verletzung, sondern aufgrund einer dauerhaften Versehrtheit, Ergebnis einer Selbstverstümmelung.

Hanno war kein Nazi, als Soldat hatte er sich selbst in den Fuß geschossen, um dem Raubmörder-Regime nicht mehr dienen zu müssen. Das Ergebnis seiner lebensgefährlichen wie mutigen Tat, -auf Selbstverstümmelung stand im Entdeckungsfall die sofortige Todesstrafe-, wird ihn für den Rest seines Lebens begleiten.

Hanno öffnet die Tür zum Hauseingang, dann zur Werkstatt. Ihm bietet sich ein Bild des Chaos.

Eine schlesische Großfamilie mit drei Generationen wurde hier einquartiert. Flüchtlinge. Überall Menschen, Frauen, die waschen, Betten, Wäscheleinen, ein Kanonenofen in der Raummitte, aufgehängte Kleidungsstücke, es dampft. Hanno versucht, die Leute gewaltsam zu vertreiben. Die Frauen schreien nach ihrem Vater. Opa Peisener erscheint, ein schwacher Greis, aber willensstark und voller Durchsetzungskraft.

Schnitt

Hanno und Opa Peisener haben sich schon eine Zeitlang beschimpft, jeder der beiden verteidigt das Revier ‚Werkstatt‘.
Sie stehen sich gegenüber, wütend, mit erhobenem Arm.


Beide haben Gegenstände in der Hand, um damit zuzuschlagen, Opa Peisener einen Schürhaken und Hanno eine riesige Schraubzwinge. – Hanno brüllt Opa Peisener an, will ausholen, da friert seine Bewegung plötzlich ein. Im Türrahmen ist jemand erschienen.

Hannos Gesicht sieht ganz erschrocken aus, ungläubig erstaunt. Er schaut, begreift nur langsam. Aus seinem Inneren löst sich ein Wort, drängt in sein Bewußtsein: Es ist ein Name, der Name der Person, die jetzt in der Tür steht.

Lisa!

sagt er mit ganz heller Knabenstimme, wie ein kleiner Junge, so als sähe er ein Traumbild, dessen Realisierung ihm schon längere Zeit nicht mehr möglich schien.

Close up Lisa

In ihrem Gesicht spiegelt sich Freude, so große Freude, daß Tränen kommen.

Sie liebt Hanno und hatte befürchtet, ihn lange, lange nicht mehr wiederzusehen, genauso wie ihren Mann Theo.

Lisa lacht und weint gleichzeitig. Sie schlägt die Hände vors Gesicht.

Close up auf Hanno.

Er hat die Schraubzwinge immer noch erhoben.

Auf einmal preßt er die Lippen zusammen, seine Mundwinkel sinken ab, ohne daß er es will. Der Versuch, seine Ergriffenheit zu bekämpfen, mißlingt.

Die Augen sind glänzendnass geworden.

Jetzt kräuseln sich Lachfalten an der Schläfe, ein Lächeln erhellt Mund- und Augenwinkel. Er ist gerührt, erleichtert, glücklich. Er begreift, daß er nicht träumt. Da steht wirklich und wahrhaftig seine Lisa.


Lisa nimmt die Hände vom Gesicht und lacht durch Tränenschleier.

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1995-96 Hanno Schmidbauer – Heino Ferch (im Alter von 32 Jahren), Lisa Schmidbauer – Katja Riemann, Homepage Katja Riemann, Opa Peisener – Jan Biczycki Filmographie

Filmographie Peter Märthesheimer

Standfoto Hanno und Lisa Schmidbauer

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