Filmszenen I …Und geh, und drück, und tret und donnere, die Tür auf einen Tritt, sie ein. Teil 1. in: Der zerbrochne Krug. Heinrich von Kleist, 1806. Heino Ferch – Ruprecht. Fernsehinszenierung: Heinz Schirk, 1991

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Der zerbrochne Krug. Bildquelle und Bildrechte bei Hessischer Rundfunk

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..und geh, und drück, und tret und donnere, die Tür auf einen Tritt sie ein…. in: Der zerbrochne Krug. Fernsehinszenierung des Lustspiels von Heinrich von Kleist, 1806 im Jahr 1991 Regie: Heinz Schirk. Heino Ferch (im Alter von 28) – Ruprecht, Eve´s Verlobter.

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Vor der Szene.

Wir sagen´s gleich, wie´s ist: Hier ist einer Täter und Richter in einer Person.

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Der Täter ist der Dorfrichter Adam. Und er wird alles versuchen, seine Tat während der Gerichtsverhandlung, die er selbst führt (!), zu vertuschen. Er schreckt vor nichts zurück, Erpressung, Zeugenbeeinflussung, …alles hoch modern.

Der Dorfrichter hat heute während der Verhandlung sozusagen Bewährungstest. Der Revisor Walter ist da, um zu überprüfen, ob der Dorfrichter Adam sein Amt auch korrekt ausübt. Ausgerechnet heute.

Der Dorfrichter Adam hat nämlich kraft seines Standes sich ein Schäferstündchen bei der jungen Eve, einer Handwerkerstochter, erlaubt.

Eve konnte nichts dagegen tun: der Herr ist höheren Standes und darf, was andere nicht dürfen. Aber spurlos bleibt die Sache nicht.

Der Dorfrichter hat nämlich bei seiner Flucht aus der Kammer der Jungfer einen wertvollen Krug zertrümmert.

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Die Mutter, Marthe Rull, will Schadensersatz für den Krug. Sie weiß von nichts, sie wendet sich ganz normal an die örtliche Gerichtsbarkeit. An den Dorfrichter Adam, der zudem noch ihr direkter Wohnungsnachbar ist.

Die Mutter will den Schaden ersetzt, von der Person, die bei ihrer Tochter Eve fensterlt, fensterln darf. Von Ruprecht. Die jungen Leute fensterln – allerdings in aller Unschuld – mit einem festen Eheversprechen jedoch. Und wer anderer als der offizielle Fernsterler Ruprecht kann gestern  nachts den Krug zerbrochen haben?

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Ruprecht sagt: ich war es nicht.

Wer zum Donner dann?

Gestern Nacht Clock Elfe musste Ruprecht im Dunklen einen Konkurrenten aus Eve´s Kammer in die Flucht schlagen.

Erkannt hat er ihn nicht. Es war ja stockfinster. Vielleicht war´s der Flickschuster, der Lebrecht. Aber mit der eisernen Türklinke, mit der in der Hand hat Ruprecht dem Konkurrenten ein paar kräftige Hiebe über den Schädel verpaßt.

Komisch, dass der Dorfrichter frische Wunden am Schädel hat. Sehr eigenartig….sehr sehr eigenartig…

Die Szene – was hat der Ruprecht auszusagen?

Der_zerbrochne_Krug_Ruprecht_erzaehltdenFall_RegieHeinzSchirk1991.mp3 Alle Aufführungs – und Copyrights:  Hessischer Rundfunk.

„Dorfrichter und Verhandlungsführer Adam zu Ruprecht

Was glotzt Er da? Was hat Er aufzubringen?
Steht nicht der Esel wie ein Ochse da?
Was hat Er aufzubringen?

Ruprecht

Was ich aufzubringen?

Oberrevisor Walter

Er, ja, Er soll den Hergang jetzt erzählen.

Ruprecht

Mein Seel, wenn man zu Wort mich kommen ließe.

Walter

’s ist in der Tat, Herr Richter, nicht zu dulden.

Ruprecht

Glock zehn Uhr mocht es etwa sein zu Nacht,
Und warm just diese Nacht des Januars
Wie Mai, – als ich zum Vater sage: Vater!
Ich will ein bissel noch zur Eve gehn.
Denn heuren wollt ich sie, das müßt Ihr wissen;
Ein rüstig Mädel ists, ich habs beim Ernten
gesehn, wie alles von der Faust ihr ging,
Und ihr das Heu man flog, als wie gemaust.
Das sagt ich: Willst du? Und sie sagte: »Ach!
Was du da gakelst.« Und nachher sagt‘ sie: »Ja.«

Adam

Bleib Er bei seiner Sache. Gakeln! Was!
Ich sagte: Willst du? Und sie sagte: Ja.

Ruprecht

Ja, meiner Treu, Herr Richter.

Walter

Weiter! Weiter!

Ruprecht

Nun –
Da sagt ich: Vater, hört Er? Laß Er mich.
Wir schwatzen noch am Fenster was zusammen.
»Na«, sagt er, »lauf; bleibst du auch draußen?« sagt er.
Ja, meiner Seel, sag ich, das ist geschworen.
»Na«, sagt er, »lauf, um elfe bist du hier.«

Adam

Na, so sag du, und gakle, und kein Ende.
Na, hat er bald sich ausgesagt?

Ruprecht

Na, sag ich,
Das ist ein Wort, und setz die Mütze auf,
Und geh; und übern Steig will ich, und muß
Durchs Dorf zurückgehn, weil der Bach geschwollen.
Ei, alle Wetter, denk ich, Ruprecht, Schlag!
Nun ist die Gartentür bei Marthens zu:
Denn bis um zehn läßts Mädel sie nur offen,
Wenn ich um zehn nicht da bin, komm ich nicht.

Adam

Die liederliche Wirtschaft, die.

Walter

Drauf weiter?

Ruprecht

Drauf – wie ich übern Lindengang mich näh’re,
Bei Marthens, wo die Reihen dicht gewölbt
Und dunkel, wie der Dom zu Utrecht, sind,
Hör ich die Gartentüre fernher knarren.
Sieh da! Da ist die Eve noch! sag ich,
Und schicke freudig Euch, von wo die Ohren
Mir Kundschaft brachten, meine Augen nach
– Und schelte sie, da sie mir wiederkommen,
Für blind, und schicke auf der Stelle sie
Zum zweitenmal, sich besser umzusehen,
Und schimpfe sie nichtswürdige Verleumder,
Aufhetzer, niederträcht’ge Ohrenbläser,
Und schicke sie zum drittenmal, und denke,
Sie werden, weil sie ihre Pflicht getan,
Unwillig los sich aus dem Kopf mir reißen,
Und sich in einen andern Dienst begeben:
Die Eve ists, am Latz erkenn ich sie,
Und einer ists noch obenein.

Adam

So? Einer noch? Und wer, Er Klugschwätzer?

Ruprecht

Wer? Ja, mein Seel, da fragt Ihr mich –

Adam

Nun also!
Und nicht gefangen, denk ich, nicht gehangen.

Walter

Fort! Weiter in der Rede! Laßt ihn doch!
Was unterbracht Ihr ihn, Herr Dorfrichter?

Ruprecht

Ich kann das Abendmahl darauf nicht nehmen,
Stockfinster wars, und alle Katzen grau.
Doch müßt Ihr wissen, daß der Flickschuster,
Der Lebrecht, den man kürzlich losgesprochen,
Dem Mädel längst mir auf die Fährte ging.
Ich sagte vor’gen Herbst schon: Eve, höre,
Der Schuft schleicht mir ums Haus, das mag ich nicht;
Sag ihm, daß du kein Braten bist für ihn,
Mein Seel, sonst werf ich ihn vom Hof herunter.
Die spricht: »Ich glaub, du schierst mich«, sagt ihm was,
Das ist nicht hin, nicht her, nicht Fisch, nicht Fleisch:
Drauf geh ich hin und werf den Schlingel herunter.

Adam

So? Lebrecht heißt der Kerl?

Ruprecht

Ja, Lebrecht.

Adam

Gut.
Das ist ein Nam. Es wird sich alles finden.
– Habt Ihrs bemerkt im Protokoll, Herr Schreiber?

Gerichtsschreiber Licht, der auch gerne Dorfrichter werden möchte

O ja, und alles andere, Herr Richter.

Adam

Sprich weiter, Ruprecht, jetzt, mein Sohn.

Ruprecht

Nun schießt,
Da ich Glock elf das Pärchen hier begegne,
– Glock zehn Uhr zog ich immer ab – das Blatt mir.
Ich denke: halt, jetzt ists noch Zeit, o Ruprecht,
Noch wachsen dir die Hirschgeweihe nicht;
Hier mußt du sorgsam dir die Stirn befühlen,
Ob dir von fern hornartig etwas keimt.
Und drücke sacht mich durch die Gartenpforte,
Und berg in einem Strauch von Taxus mich,
Und hör Euch ein Gefispre hier, ein Scherzen,
Ein Zerren hin, Herr Richter, Zerren her,
Mein Seel, ich denk, ich soll vor Lust –

Eve

Du Bösewicht!
Was das, o, schändlich ist von dir!

Frau Marthe

Halunke!
Dir weis ich noch einmal, wenn wir allein sind,
Die Zähne! Wart! Du weißt noch nicht, wo mir
Die Haare wachsen! Du sollsts erfahren!

Ruprecht

Ein Viertelstündchen dauerts so; ich denke:
Was wirds doch werden, ist doch heut nicht Hochzeit?
Und eh ich den Gedanken ausgedacht,
Husch! sind sie beid ins Haus schon, vor dem Pastor.

Eve

Geht, Mutter, mag es werden, wie es will –

Adam

Schweig du mir dort, tat ich, das Donnerwetter
Schlägt über dich ein, unberufne Schwätzerin!
Wart, bis ich auf zur Red dich rufen werde.

Walter

Sehr sonderbar, bei Gott!

Ruprecht

Jetzt hebt, Herr Richter Adam,
Jetzt hebt sichs, wie ein Blutsturz, mir. Luft!
Da mir der Knopf am Brustlatz springt: Luft jetzt!
Und reiße mir den Latz auf: Luft jetzt, sag ich!
Und geh, und drück, und tret und donnere,
Da ich der Dirne Tür verriegelt finde,
Gestemmt, mit Macht, auf einen Tritt, sie ein.

Adam

Blitzjunge, du!

Ruprecht

Just da sie auf jetzt rasselt,
Stürzt dort der Krug vom Sims ins Zimmer hin,
Und husch! springt einer aus dem Fenster Euch:
Ich seh die Schöße noch vom Rocke wehn.

Adam

War das der Leberecht?

Ruprecht

Wer sonst, Herr Richter?
Das Mädchen steht, die werf ich übern Haufen,
Zum Fenster eil ich hin, und find den Kerl
Noch in den Pfählen hangen, am Spalier,
Wo sich das Weinlaub aufrankt bis zum Dach.
Und da die Klinke in der Hand mir blieb,
Als ich die Tür eindonnerte, so reiß ich
Jetzt mit dem Stahl eins pfundschwer übern Detz ihm:
Den just, Herr Richter, konnt ich noch erreichen.

Adam

Wars eine Klinke?

Ruprecht

Was?

Adam

Obs –

Ruprecht

Ja, die Türklinke.“

zit. n.: Das Gutenberg-Projekt auf http://gutenberg.spiegel.de,  Erster Akt Siebter Auftritt

1991 – Heino Ferch (im Alter von 28) – Ruprecht Tümpel, Eve´s Verlobter. Günter Strack – Dorfrichter Adam, Witta Pohl – Eve´s Mutter: Marthe Rull, Simone Pfennig – Eve, Ruprecht´s Verlobte. Ezard Haußmann – Revisor Walter, Lutz Mackensy – Schreiber Licht, Anwärter auf den Dorfrichter – Posten.

Kommentar 1.

Faszinierend, die Parallelen zu „Meine schöne Bescherung, 2007“. Das emotionale Gedächtnis. Ist  vielleicht manchmal stringenter, als die bewußte Erinnerung. „Metze!“ schreit Ruprecht, weil er glaubt, die Eve schläft mit jemand anderem. „Metze!“ schreit Jan, weil er glaubt, Sara schläft mit jemand anderem. Die Tür hat Ruprecht eingeschlagen in seiner Wut. Gegen die Tür entlädt sich Jan´s Wut wegen der vermeintlichen Konkurrenten. Sogar die Gewalt gegen die Tür kommt wieder vor. Nach 16 Jahren.

Kommentar 2:

Auch die Stelle mit dem Versteck in der Taxushecke, dem Beobachten des Konkurrenten und der Beschimpfung der Freundin als H  ur  e (Metze!) erinnert an eine andere Szene. s.a. Samstags, wenn Krieg ist. Wolf beobachtet in der Hecke verborgen seine Freundin, wie sie sich mit einem Konkurrenten amüsiert. Er ist extrem wütend, beschimpft seine Freundin anschließend mit H ur  e.

Kommentar 3:

Das rüstig´ Mädel – Ruprechts Einschätzung von Eve, seiner Verlobten, – finden wir wieder in Scheidung a la carte. Jungkoch Walter hat sich mit einer famosen tüchtigen Frau verlobt. – Nicht nur Schönheit, auch Tüchtigkeit sind wichtig. Hier, dort und anderswo (z.B. Schatz von Troja) .

Kommentar 4: zum Audiobeleg. Süß, ne? Der Ruprecht. – Tegernseer Volkstheaterstil. Auch Große hammal klein angefangen…

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